Ist künstliche Intelligenz ein Gamechanger beim Investieren?

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Kolumne

Geldanlage

Wenige andere Themen haben in den letzten 24 Monaten so viel Schlagzeilen in den Finanzmedien produziert wie künstliche Intelligenz. Aus Privatanlegerperspektive stellen sich zu KI vor allem diese zwei Fragen: „Wird KI ein Gamechanger beim Investieren sein?“ Und wenn ja, „wie wird KI die Gesetze der Geldanlage verändern?“

Gerd Kommer

Gerd Kommer ist Gründer und Geschäf tsführer der Gerd Kommer Invest GmbH

552 Seiten | Preis: 35,00 € extraetf.com/go/kommer

Illustration: © Kresimir – stock.adobe.com

Wer auf diese Fragen überzeugende Antworten finden will, muss meines Erachtens einige grundlegende Aspekte rund um das „wilde“ Thema KI für sich auseinandersortieren. Wenn man das getan hat, fällt einem die Antwort auf die „Gamechanger-Frage“ fast in den Schoß.

(1) Ist KI neu?

Nein, KI existiert seit über 60 Jahren. KI als reales wirtschaftliches Phänomen und nicht nur als Idee in Science-Fiction-Romanen begann vermutlich mit dem bahnbrechenden Aufsatz „Computing Machinery and Intelligence“ des britischen IT-Genies Alan Turing im Jahr 1950.1 Historisch gab es für das, was heute KI oder AI (Artificial Intelligence) heißt, zum Teil andere Bezeichnungen, beispielsweise „Expertensysteme“, „neuronale Netzwerke“ und Machine Learning.2 Der Artikel „History of artificial intelligence“ in der englischen Wikipedia informiert über die gar nicht so kurze Geschichte von AI.

KI ist also nicht neu. Neu erscheint uns KI primär deswegen, weil der Launch des in der Basisversion kostenlosen KI-Chatbots ChatGPT im November 2022 KI erstmalig und umfassend ins Bewusstsein der allgemeinen Öffentlichkeit katapultierte.

(2) Wie stark wird der transformatorische Effekt von KI auf die Realwirtschaft sein?

Mit „transformatorischem Effekt“ ist eine strukturelle Erhöhung des globalen Wirtschaftswachstums und damit wohl auch der Haushaltseinkommen durch KI gemeint. Manche KI-Enthusiasten und (Möchtegern-)Experten für „disruptive Technologien“, „AI-Singularity“ und „Tech als Megatrend“ halten es für möglich, dass KI die Menschheit in ein neues wirtschaftliches Shangri-La führen wird.

Dazu wird es nicht kommen. Wenn überhaupt, wird KI „nur“ helfen, die negativen Wachstumseffekte partiell auszugleichen, die aus demografischen Entwicklungen und den Kosten für die Bekämpfung des Klimawandels resultieren.

Es gab seit Beginn der industriellen Revolution um etwa 1770 unzählige technologische Innovationen, die für das menschliche Dasein im Rückblick tatsächlich transformatorisch waren, aber dennoch für sich genommen keine klar messbare Erhöhung des Wirtschaftswachstums auslösten. Man denke beispielsweise an die Druckerpresse, die Dampfmaschine, Elektrizität, Eisenbahn,