Es wird eine neue Weltordnung geben

4 min lesen

Die Welt, in der wenige Industriestaaten den Ton in der Weltwirtschaft und der Politik bestimmten, scheint Geschichte. Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel, gibt Einblick in die neue Weltordnung, erklärt, welche Rolle Deutschland spielt, und gibt eine Dax-Prognose ab.

Das Interview führte: Thomas Brummer

Interview

Machtverhältnisse verschieben sich, geopolitische Themen nehmen zu, Gewissheiten schwinden. Ist die Welt im Wandel?

Carsten Mumm: Ja, es wird eine neue Weltordnung geben. Und zwar in dem Sinne, dass die westlichen Industriestaaten und die zugehörigen Bündnisse nicht mehr allein tonangebend sein werden. Ich glaube, dass seit Mitte der 90er Jahre ein bisschen das Gefühl eingekehrt ist, dass Marktwirtschaft und Demokratie den Systemwettbewerb, in Anführungsstrichen, gewonnen haben. Die Hoffnung war: Jetzt wird alles marktwirtschaftlich und demokratisch.

Das Ende der Geschichte?

Mumm: Genau, richtig. Doch in den vergangenen fünf Jahren ist Ernüchterung eingezogen. Heute sind Autokratien auf dem Vormarsch, und die Schwellenländer sind größer und selbstbewusster geworden, haben junge, dynamische, technologieaffine Bevölkerungen. Sie spielen einfach eine andere Rolle im globalen Weltgeschehen, als das in den 90ern der Fall war. Insofern würde ich sagen: Ja, wir haben ein Stück weit eine neue Weltordnung. Doch bei den BRICS-Staaten sehen wir eine lose Zusammenarbeit. Ich glaube nicht, dass daraus ein engerer Staatenbund resultieren kann.

Sind die Staaten zu unterschiedlich?

Mumm: Sie sind völlig unterschiedlich und verfolgen in erster Linie ihre eigenen Interessen. Sie haben aber auch gemeinsame Interessen – sie wollen den USA und den anderen Industrienationen Paroli bieten.

Aber gerade die großen Schwellenstaaten dürften sich nicht zu eng binden wollen. Dafür sind sie zu selbstbewusst und eigenständig. Ein Paradebeispiel ist Indien, das seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs günstig Öl aus Russland kauft und gleichzeitig mit Europa und den USA über Technologiepartnerschaften verhandelt.

Vor einigen Monaten war sogar von einer BRICS-Leitwährung die Rede. Wie ernst ist so etwas zu nehmen?

Mumm: Ich glaube nicht, dass das ein ernsthaftes Thema werden kann. Der Hintergrund ist, dass wir in der Eurozone sehen, was mit einem Währungsraum passiert, der nicht optimal ist. Hier wurden viele völlig unterschiedliche Volkswirtschaften in einen Währungsraum zusammengebracht. Das läuft nicht rund. Darum kann ich mir nicht vorstellen,