„Retten die Hidden Champions das Land, Herr Prof. Simon?“

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Das €uro-Interview

Professor Hermann Simon erklärt, wo Deutschlands wahre Probleme liegen – aber auch, warum niemand die Bundesrepublik voreilig abschreiben sollte

Hermann Simon: „Wir liegen bei der Wirtschaftsstärke global auf Platz 3, bei der Bevölkerungszahl aber nur auf Rang 19“
BILD: HENNING ROSS FOTOGRAFIE, HERRMANN SIMON

€uro: Ist Deutschland wegen Betonung eigener Standortschwächen als Land eine Art Hidden Champion?

Hermann Simon: Man kann Deutschland durchaus so bezeichnen, weil wir im Kern sehr stark sind. Wir liegen bei der Wirtschaftsstärke global auf Platz 3, bei der Bevölkerungszahl aber nur auf Rang 19. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist also sehr hoch. Das ist in Asien oder den USA so nicht bekannt, auch nicht, was die Stärke der Marken angeht, abgesehen von der Autoindustrie.

Wir haben Japan vor allem wegen der Yen-Schwäche als Nummer 3 abgelöst.

Die größere Stärke des Euro ist eine reale Bewertung. Die Stärke Deutschlands spiegeln auch weitere Indikatoren wider: Der Maschinenbau hat 2023 seinen Export um sechs Prozent auf einen neuen Rekordwert gesteigert, auch dank seiner „pricing power“. Und die deutschen Direktinvestitionen in China haben im vergangenen Jahr ebenfalls einen neuen Rekord erreicht.

Sie warnen aber vor allem davor, Deutschland voreilig abzuschreiben, weil wir im Mittelstand 1600 heimliche Weltmarktführer haben, eben Hidden Champions. Was zeigt deren Stärken besonders? Die 767 deutschen Zulieferer von Apple?

Da könnte ich Dutzende oder Hunderte Beispiele anführen, etwa Busch Vacuum Solutions, Weltmarktführer bei Vakuumpumpen mit 8000 Mitarbeitern in der Gruppe und zwei Milliarden Euro Umsatz. In einer Vakuumpumpe rotiert ein Rotor extrem schnell in einem Metallgehäuse. Der Abstand zwischen Rotor und Gehäuse beträgt ein Drittel eines menschlichen Haars, ein Hundertstel Millimeter. So etwas können nur ganz wenige Unternehmen in der Welt. Der Hidden Champion Petkus in Thüringen fertigt Anlagen, die 40000 Saatkörner in der Sekunde sortieren. Am eindrucksvollsten sind vielleicht die technischen Daten für die Extreme-Ultraviolett-Technologie des holländischen Weltmarktführers ASML, dessen Aktien Ihre Leser vermutlich kennen.

Zumindest ist ASML eine Dauerempfehlung von €uro und eine unserer „33 Aktien der Zukunft“.

Der deutsche Laserkonzern Trumpf und der ebenfalls deutsche Optikspezialist Zeiss liefern die Kernbestandteile dieses Systems. Der Trumpf-Laser erzeugt eine Temperatur von 220000 Grad — das ist 40-mal die Oberflächentemperatur der Sonne, nur für den millionsten Teil einer Sekunde — und schießt 50000 Zinntropfen pro Sekunde auf den Chip; der Laser besteht aus 457329 Teilen. Das optische System von Zeiss reduziert die Distanz auf dem Chip von 193 auf 13 Nanometer (ein Mi

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