ElektroRad
14 August 2020
Liebe Leserinnen und Leser, Diesen unvergesslichen Blick von der Archenkanzel hinunter auf den 750 Meter tiefer liegenden Königssee werden normale Radfahrer, die wie wir den Bodensee-Königssee-Radweg machen, kaum genießen. Wir schon, E-Unterstützung macht‘s möglich. Denn wir nutzen – nachdem wir nach 520 Kilometern ab Lindau im Berchtesgadener Land angekommen sind – unsere geländegängigen E-Bikes für drei Bergtouren – ohne Packtaschen – als Mountainbikes. Ja, Akku und Antrieb ermöglichen, das wird mir in der Rückschau mit Wucht klar, viele Extras, die Tourenradlern ohne E versagt bleiben. Das fing schon bei der ersten Übernachtung an, die wir vorgebucht hatten. Nicht wissend, dass unser Etappenziel Eglofs sich hoch über dem Fluss Obere Argen auf einem Plateau befindet. Zu dem wir etwas unüberlegt noch den 400 Meter langen Abkürzer nehmen mussten: streng bergauf, Puls bis zum Hals, trotz Turbo und kleinstem Gang. Die Anstrengung und der Umweg hinauf, bei einer üblichen Tour mit schwer beladenen Rädern zum Etappenende hin eine kleine Katastrophe, belohnen mit Glück: Unser Hotel Rose erweist sich als historisches Haus, mit sympathischen Wirtsleuten, die sich über uns Radfahrer wundern („die bleiben sonst immer im Tal“). Die uns mit Empfehlungen für ein Abendessen zum Restaurant gegenüber schicken. Und mit einem köstlichen Frühstück in Tag 2 starten lassen. Viele Extras reihen sich aneinander wie die Perlen an einer Schnur: etwa St. Michael in Mittelberg, laut Reiseführer nicht nur die höchstgelegene, sondern auch die schönste Dorfkirche im Allgäu. Weil meine Akkureichweite keinen Umweg erlaubt, machen wir in Oy-Mittelberg einen Nachlade-Stopp und kurbeln die drei Kilometer zur Kirche hinauf– die aber verschlossen ist. Die Verwalterin, unten im Ort ausfindig gemacht, freut sich so über uns Radler, dass sie mir den ellenlangen Kirchenschlüssel in die Hand drückt: „Schaut sie in Ruhe an, solange wie ihr wollt.“ Ein Barockjuwel nur für uns, erst seit einer Woche fertig restauriert, offiziell noch zu. E-Bikes machen selbst klassische Routen zu Köstlichkeiten – mit Lust auf mehr! Auf malerische Dörfer, einsame Buchten unten am See, auf Pensionen mit Zimmer-frei-Garantie, weil sie eben nicht am Hauptweg liegen. Sie ermöglichen faszinierende Blicke – wie den auf Schloss Neuschwanstein, von der Marienbrücke aus. Normale Bodensee-Königssee-Radler ketten ihre Räder weit unten am Waldrand an Bäume und müssen dann den schweißtreibenden Fußmarsch zur Brücke in Angriff nehmen. Wir kurbeln dank E-Unterstützung in einer Viertelstunde hinauf – und werden zusätzlich mit einer rauschenden Abfahrt belohnt. Genial die Übernachtung bei Piding oben im einsamen Berggasthof Johannishögl-Hof. Abendessen mit bayerischen Schmankerln unter alten Kastanien, tief unter uns: das funkelnde Salzburg. „Das alles wäre ohne E nie möglich gewesen. E steht für Extras“, bilanziert meine Frau. Die so begeistert von der Tour ist, dass wir – statt wie geplant mit dem Zug – mit den E-Bikes nach Hause fahren. Weitere 240 Kilometer Extra-Freude.
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