Habe ich zu früh aufgegeben?

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Endlich getrennt, doch als sie allein ist und das hat, wonach sie sich so gesehnt hat, kommen unserer Autorin Zweifel

TEXT Susanne Schmidt

Allein sein, weil man es will oder weil man keine andere Wahl hat, ist ein großer Unterschied
FOTOS: STOCKSY/AMOR BURAKOVA

Man sagt, Glück kommt in Wellen. Das stimmt wohl. Traurigkeit aber auch. Meistens kommt sie unverhofft. Manchmal ist sie morgens einfach da. Dann stelle ich mir die Fragen, mit denen ich nie gerechnet hätte, wie zum Beispiel, ob ich immer allein bleiben werde. Das, wonach ich mich so sehr gesehnt habe, ist plötzlich zu etwas Bedrohlichem geworden, denn es ist etwas anderes, wenn man allein ist, weil man die Wahl hat – oder eben nicht.

Ich war beinahe zwanzig Jahre verheiratet, als ich begann, die Tage, die Stunden zu zählen, bis ich endlich ausziehen konnte. Für Frank war unsere Trennung ein Schock. Für mich eine Befreiung. Das ist nicht nett, aber leider wahr. Er hat mir nichts getan, aber am Ende hat mich trotzdem alles an ihm gestört: wie er ging, wie er aß, wie er sprach, wie er nachts atmete. Die kleine Wohnung, die jetzt mein Zuhause ist, ist nicht vergleichbar mit dem großen Haus und dem Garten, auf den mein Mann so stolz ist. Sie ist so klein, dass ich sie in einem halben Tag auf Hochglanz bringen kann, und hat keinen großen Keller, in dem ich nur Dinge aufbewahren würde, die ich sowieso nie wieder brauche: das Golfset zum Beispiel, das er mir zu meinem Vierzigsten geschenkt hat, weil er fand, das sei ein gutes Hobby für uns beide. Jetzt muss ich nicht mehr Dinge tun, die jemand anderem Spaß machen. Keine Kompromisse mehr machen. Ab jetzt geht es mal nur um mich. Ich fühle eine unbändige Erleichterung, als ich Umzugskarton um Umzugskarton in mein Auto lade. Und Scham. Denn oben am Fenster steht Frank und sieht zu. Er hilft mir nicht. Das wäre auch zu viel verlangt, immerhin hat er diese Trennung nicht gewollt. Seitdem er viel im Homeoffice arbeitet, wollte er eigentlich am liebsten alles mit mir gemeinsam machen: aufstehen, frühstücken, mittagessen, spazieren gehen, abendessen, fernsehen und von vorne.

Meine Wohnung ist noch sehr provisorisch. Bett, Tisch, Stühle, eine Couch. Platz. Und Stille. Was für eine Freude. Meine Freundinnen Ella und Chris helfen beim Auspacken, und wir feiern uns und das Leben, lachen über uns und zünden schließlich Kerzen an, weil die Wohnung dunkel ist – und keine von uns weiß, wie man Lampen anschließt. Außerdem habe ich keinen Werkzeugkoffer. In der ers

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