Die Politische Meinung
22 July 2022
„Und einmal kam eine große Teuerung ins Land“, so beginnt das Märchen „Hänsel und Gretel“. Dort ist ein plötzlicher Preisanstieg Auslöser einer ganzen Serie von Katastrophen: Zwei Kinder aus prekären Holzfällerverhältnissen werden für ihre Eltern zum existenziellen Risiko und sind in der Folge unsäglichen Grausamkeiten ausgesetzt. Auf sich allein gestellt, überwinden sie – in Grimms Märchen am Ende glücklich und zufrieden – alle Gefährdungen. Märchen gehen meist gut aus, reflektieren aber tiefsitzende Krisenerfahrungen. Ängste vor steigenden Preisen und Versorgungsmängeln gehören fraglos dazu, selbst wenn sie weitgehend aus unserem Bewusstsein verdrängt waren. Noch im Herbst des vergangenen Jahres hielt das Gros der Experten den Anstieg der Verbraucherpreise für ein temporäres Problem. Inzwischen schlägt die Wahrnehmung um. Weltweit drohen sich die Volkswirtschaften in einem Wald wildwüchsiger Krisen zu verlieren. Es fehlt an Orientierung, wie der Düsternis aus explodierenden Energie und Lebensmittelkosten, Konjunkturschwäche, wachsenden sozialen Spannungen und fiskalischen Notwendigkeiten zu entrinnen ist. Manch Irrweg staatsdirigistischer Preiskontrolle und verzerrung wird bereits beschritten. Populistisches Subventionsgebaren bezirzt die Zurückgelassenen. Die deutsche AmpelRegierung hat es mit „Brotkrumen“ wie dem Tankrabatt probiert und streitet nun intern darüber, wer die Schuld daran trägt, dass der milliardenschwere Entlastungsversuch nach kurzer Frist weggefressen war. Lieber delegiert sie die Frage der Inflationsbekämpfung an „runde Tische“ und Kommissionen – Prozess statt Aktion! Die „Hänsel und Gretel“ von heute sind so wie ihre Vorbilder ziemlich allein unterwegs. Nacktes Elend droht Menschen im globalen Süden, fehlt es ihnen doch zunehmend sogar an Nahrung. Die Nöte bei uns sind weit weniger existenziell, doch spitzt sich auch hier die soziale und wirtschaftliche Lage in kaum gekanntem Maße zu. Für viele geht es ans Eingemachte, wenn Essen, Wohnen und Heizen extrem viel teurer werden. Mittelfristig birgt die weitere Schädigung der Altersvorsorge gesellschaftliche Sprengkraft. Auch politisch, nicht zuletzt zur Abwehr Putins, ist das Scheusal Inflation eine Katastrophe. Nicht Zögerlichkeit, sondern gretelsche Wachheit und Entschlossenheit sind gefragt, um es wieder loszuwerden.
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