Ein Regime des Strafens

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DER KOLONIALE STAAT

Theorie und Praxis der kolonialen Herrschaft klafften weit auseinander. Den europäischen Kolonialherren, auch den deutschen, gelang es oft nicht, die offiziell beherrschten Gebiete nachhaltig zu kontrollieren. Der schwache koloniale Staat neigte daher zu Gewaltdemonstrationen.

In einer Hängematte mit Sonnendach ließ sich dieser Deutsche 1885 in Togo tragen. So eindeutig, wie es dieses Foto nahelegt, war die Hierarchie aber nicht – denn die Kolonialherren waren in der Regel auf die Kooperation der Kolonisierten angewiesen.

Die europäische Expansion am Ende des 19. Jahrhunderts und die Inbesitznahme fast des gesamten afrikanischen Kontinents und weiter Teile Asiens führten auch zu neuen Formen der Regierung und Herrschaft.

Die Europäer brachten ihre Vorstellung von Staatlichkeit mit und stülpten sie den einheimischen Gesellschaften über. Das europäische Staatsmodell fand auf diese Weise weltweit Verbreitung. Zugleich wies der koloniale Staat Besonderheiten auf und war mit seinem Pendant in Europa keineswegs identisch. In den Kolonien war die Öffentlichkeit massiv eingeschränkt, zivilgesellschaftliche Einrichtungen wurden nur in Ansätzen zugelassen, und die Partizipation der Bevölkerung (etwa in Form demokratischer Mitbestimmung) war nicht vorgesehen.

Bevor wir uns die entstehenden kolonialen Gesellschaften genauer ansehen, ist es hilfreich, sich klarzumachen, wie unterschiedlich koloniale Herrschaft aussehen konnte, wie vielfältig koloniale Staatlichkeit war. Zum einen hing sie von der kolonisierenden Macht ab. Die britische Strategie der indirekten Herrschaft wurde von Frederick Lugard, einem Offizier und Kolonialbeamten in Nigeria, entwickelt. Sie setzte auf nur minimale Präsenz von Europäern und überließ die Machtausübung vor Ort loyalen einheimischen Würdenträgern.

Am anderen Ende des Spektrums stand das japanische Kolonialreich. Hier war die militärische und administrative Präsenz um ein Vielfaches höher. Während etwa auf einen britischen Kolonialbeamten in Indien 28 000 Einheimische kamen (in Nigeria war das Verhältnis sogar eins zu 54 000), unterhielt Japan ein riesiges Korps ziviler Beamter, im Korea der 1930er Jahre im Verhältnis von eins zu 420. Diese ungeheuer hohe Zahl kolonialer Beamter zeugte von der Absicht, von der Zusammenarbeit mit lokalen Eliten weitgehend unabhängig zu sein.

Die deutsche Herrschaftspraxis lag deutlich näher am englischen Vorbild, unterschied sich aber von Kolonie zu Kolonie. Das hatte sowohl mit den Gesellschaften vor Ort zu tun, aber auch mit der unterschiedlichen Rolle, die die jeweiligen Gebiete aus deutscher Sicht spielen sollten. In Handelskolonien wie Togo beschränkte sich die staatliche Präsenz auf wenige Bürokraten, die in erster Linie die ökonomische Ausbeutung des Gebiets sichern sollten. Im Vergleich dazu erforderten die Anwesenheit deutscher Siedler und d

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