Die hässliche Fratze deuts cher Herrs chaft

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KRIEG UND VÖLKERMORD IN NAMIBIA

Im Januar 1904 erhoben sich die Ovaherero in Deutsch-Südwestafrika gegen ihre Kolonialherren, im Oktober nahmen auch Nama und Oorlam den Kampf auf. Die von Lothar von Trotha geleitete Gegenkampagne zeigt, wie eine auf totale Unterwerfung angelegte Strategie in den Völkermord mündete.

Was als „Aufstand der Ovaherero“ in die Geschichte eingehen sollte, begann am 12. Januar 1904 in Okahandja in der damaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ (DSWA). Dort residierte Samuel Maharero (1856 –1923) als lokales Oberhaupt und zugleich „Oberhäuptling“ der bantusprachigen Ovaherero (siehe Kasten Seite 29) – ein Amt, das zwar bereits in vorkolonialer Zeit bestanden hatte, aber nur temporär und ohne Machtfülle, und erst von den deutschen Kolonialherren institutionalisiert worden war, um eigene Interessen einfacher durchzusetzen. Auch 20 Jahre nach der Landnahme übten die Deutschen lediglich eine „Oberherrschaft“ aus, da den indigenen Oberhäuptern Teile ihrer Souveränität und vor allem Waffen belassen worden waren. Die militärische Unterwerfung wäre allzu langwierig, kostspielig und nachteilhaft für die Entwicklung der Siedlungskolonie gewesen, wie deren langjähriger Gouverneur, Oberst Theodor Leutwein (1895 –1904), befürchtete.

Nach und nach folgten Maharero alle Oberhäupter und Gruppen der Ovaherero in den Krieg. Die Angriffe auf Farmen, Geschäfte und Siedlungen forderten 123 Menschenleben, waren aber keineswegs so blindwütig, wie etwa die deutsche Presse sie darstellte. Nur Männer deutscher Nationalität sollten getötet, Frauen und Kinder aber geschont werden; Letztere wurden bisweilen zu Ortschaften eskortiert, um sicher nach Deutschland zurückkehren zu können. Was die Angreifer gebrauchen konnten, nahmen sie an sich, alles Übrige verbrannten sie oder zerstörten es anderweitig. Trotz aller Mäßigung im Vorgehen verfolgten sie jedoch ein radikales strategisches Ziel: der deutschen Herrschaft und Besiedlung ein Ende zu setzen. Darin unterschied sich dieser Krieg grundlegend von früheren, lokal begrenzten Konflikten.

Diplomatie statt Machtdemonstration: An diesem Leitgedanken hatte der langjährige Gouverneur Theodor Leutwein (hier beim Empfang einer Abordnung von Indigenen) seine Politik in Deutsch-Südwestafrika ausgerichtet.
BPK

Weiße Täter verüben ungesühnt Verbrechen – daher greifen die Ovaherero schließlich zur Selbsthilfe

Was hatte die Ovaherero zu diesem folgenschweren Schritt bewogen? Den konkreten Anlass für die Angriffe bot ein Konflikt der Deutschen mit der Gruppe der Bondelswart-Nama, der sich an der Verlegung der Feldtruppen aus dem zentralen ins südliche Namibia entzündete. Die Gründe waren vielfältiger. Die Erweiterung der Bahnlinie, und damit des europäischen Vordringens, sowie die Schaffung von Reservaten beunruhigten die afrikanische Bevölkerung

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