Innenansichten eines Täters

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DIE TAGEBÜCHER LOTHAR VON TROTHAS

Lothar von Trotha, von Mai 1904 bis November 1905 Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika, nahm im Kampf gegen die Ovaherero billigend einen Völkermord in Kauf. In seinem Tagebuch präsentierte er sich als nüchterner Militär, dessen Auftrag es sei, die Aufständischen mit allen Mitteln zu besiegen.

Die Beschäftigung mit Völkermord ist immer auch ein Bemühen, das Unbegreifliche begreifen zu wollen.

Nun ist das Tagebuch von Lothar von Trotha, der als Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika hauptverantwortlich für den Genozid an den Ovaherero war, als Buch publiziert. Damit wird ein neuer Blick auf Trotha möglich, der sinnvoll ist, weil Trotha in seiner von Berlin aus kaum zu kontrollierenden Position weitestgehend selbständig handeln konnte. Niemandem gegenüber war er in Südwestafrika Rechenschaft schuldig, Berlin war weit weg. Natürlich musste er Verantwortung für sein Tun übernehmen. Und natürlich konnten seine Entscheidungen revidiert werden. Aber bis dahin war er es allein, der die Entscheidungen traf. Eines der vielen „Basta!“, die den Tagebuchtext Trothas durchziehen, wäre an dieser Stelle am richtigen Platz.

Mit sich selbst im Reinen: Generalleutnant Lothar von Trotha (Mitte sitzend) als Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika im Kreis seiner Offiziere. Trotha bezeichnete sich als „alten Afrikaner“ – er hatte von 1894 bis 1897 bereits die Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika angeführt.
Ullstein Bild / Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl

Einzelne, klägliche Versuche Alfred von Schlieffens, Chef des Generalstabs der Armee, von Berlin aus Einfluss auf die Kriegführung zu nehmen, wies Trotha stets als lächerlich zurück. In dieser Konstellation tritt die Frage nach der Organisation und Struktur des deutschen Militärkontingents deutlich zurück hinter die Frage nach dem Individuum, der Person des Oberbefehlshabers.

Eine Verständigung wird von Anfang an ausgeschlossen: „Sie müssen vernichtet werden“

Trotha inszeniert sich in seinem Tagebuch als „alten, nüchtern denkenden Afrikaner“ (11. Mai 1904) und als berechnenden Menschen: „Musik und Poesie ist nichts, Arimetik [sic] ist Alles“ (31. Mai). Er agierte nicht immer emotionslos, aber immer mit Bedacht, vor allem dachte er immer die Konsequenzen seines Tuns mit. Seine Aufgabe in Südwestafrika ging er mit Energie und Entschlossenheit an. Die Möglichkeit eines Scheiterns zog er gar nicht in Betracht. Die ersten Monate waren angefüllt mit Vorbereitungen für die als entscheidend geplanten Kämpfe am Waterberg. Jede Form von Verhandlung wurde, das belegen seine Notizen, kategorisch unterbunden und ausgeschlossen: „Sie müssen vernichtet werden“ (20. Juni).

Am 11. August erfolgte der Angriff auf die Ovaherero, den diese für genau diesen Tag erwartet hatten. Der

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