Prosperierendes geistiges Zentrum

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Die Mönche der Reichenau entstammten dem süddeutschen Hochadel. Die Herrscherhäuser schenkten dem Kloster zudem zahlreiche Besitztümer. Im Gegenzug hielt der Konvent die Erinnerung an die großzügigen Spender wach – entsprechend dem Glauben der Zeit war dies die Voraussetzung für die Erlösung nach dem Tod.

Blick in das Mittelschiff der Kirche St. Georg im Teilort Oberzell der Gemeinde Reichenau. Die Wandmalereien stammen aus dem 10. Jahrhundert. Sie wurden erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt und mehrfach restauriert. Dargestellt sind in mehreren Szenen die Wunder Jesu.
Reichenau Tourismus / Foto: Theo Keller

Bis in das Frühjahr hinein beherrscht Nebel den Bodensee. An kalten Tagen gibt er teils nur für wenige Stunden den Blick über die Wasseroberfläche frei. So bleibt manches Kleinod im Dunst verborgen. Etwas entrückt kann es da für manche Durchreisende wirken, wenn sich die Reichenau mit ihrem reichen Kulturerbe, gleich der mythischen Insel Avalon, nur zeitweise aus dem Nebel erhebt. Doch was auf den ersten Blick weltabgewandt wirkt, gehörte im Mittelalter zu den Zentren Europas. Die Insellage brachte es mit sich, dass das Kloster einerseits in einer gewissen Isolation seinem Alltag nachging. Andererseits lebten die Mönche unmittelbar am durch den Bodensee verlaufenden Rhein und damit an einer der wichtigen Verkehrsachsen ihrer Zeit, die weite Teile des Frankenreiches miteinander verband.

Nachgeborene Söhne des Adels kommen im Kloster unter

Das Kloster Reichenau, dessen Gründung 724 bereits durch die Karolinger unterstützt worden war, fügte sich schnell in die reichsweiten Netzwerke ein und unterhielt bald auch darüber hinausgehende Beziehungen nach Irland, Nordafrika und Byzanz. Entsprechend rasch wuchs die noch junge Mönchsgemeinschaft schon in den ersten Jahrzehnten und dürfte um das Jahr 800 an die 100 Brüder zu ihrem Konvent gezählt haben.

Die Mönche stammten allesamt aus dem Hochadel – eine Tradition, an der die Reichenau über Jahrhunderte und auch in schwierigen Zeiten festhielt. In der hohen Attraktivität des Klosters Reichenau spiegelt sich das Bedürfnis adliger Familien, ihren Besitz infolge der Erbteilung nicht zu sehr aufzusplittern bzw. jüngeren Söhnen, die im Erbfall womöglich sogar leer ausgegangen wären, eine gesicherte Versorgung und eine Karriere zu bieten.

Ein Aufstieg konnte dabei nicht nur innerhalb der Ränge des Konvents erfolgen. Da die Klöster des Reichs bis ins 11. Jahrhundert hinein zu den wichtigsten Stützp


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