Talentschmiede am Bodensee

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Wie viele andere Klöster des Mittelalters war auch die Reichenau ein Zentrum des Wissens. Die bekanntesten Vertreter waren der Dichter und Botaniker Walahfrid Strabo und das Universalgenie Hermann der Lahme.

Das Manuskript einer astronomischen Abhandlung des Hyginus entstand im 9. Jahrhundert im Kloster Reichenau. Die Sternzeichen sind mit Federzeichnungen ergänzt. Die Abtei am Bodensee brachte mehrere wissenschaftliche Koryphäen hervor.
St. Paul im Lavanttal / Museum im Stift St. Paul

Im frühen und hohen Mittelalter erlebte die Abtei Reichenau eine vielfältige kulturelle Blüte. Hierfür stehen vor allem zwei Persönlichkeiten der Mönchsgemeinschaft. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts war es der aus Schwaben gebürtige Walahfrid Strabo, Verfasser geistlicher und weltlicher Dichtung. 200 Jahre später beeindruckte der aus der Familie der Grafen von Altshausen stammende Hermann der Lahme, Universalgelehrter, geistlicher Dichter und Geschichtsschreiber sowie nicht zuletzt Lehrer an der Reichenauer Klosterschule. Damit spiegelt das Werk dieser beiden eine breite Palette geistlicher wie geistiger Schaffenskraft in der monastischen Welt des frühen und hohen Mittelalters wider.

Walahfrid mit dem Beinamen „Strabo“ („der Schieler“) kam in jungen Jahren unter Abt Heito I. (im Amt 806 – 823) in das Kloster Reichenau und wurde in dessen Schule von Erlebald, dem späteren Abt (823 – 838), und von Wetti (siehe Artikel Seite 16) unterrichtet. Damals schon zeigte Walahfrid sein dichterisches Talent, als er im Alter von 18 Jahren die von Heito aufgezeichneten Traumvisionen Wettis, die dieser kurz vor seinem Tod am 4. November 824 über Hölle, Fegefeuer und Himmel hatte, in der „Visio Wettini“ in Verse fasste. Damit begründete Walahfrid die in Dantes „Göttlicher Komödie“ kulminierende Gattung der mittelalterlichen Jenseitsvisionen.

Walahfrid: ein äußerst talentierter Dichter

Nach Ablegung der Mönchsgelübde wurde Walahfrid in das Kloster Fulda geschickt, um dort seine Ausbildung zu vertiefen. In dieser Zeit schrieb er Bibel- und Psalmenkommentare, bevor er 829 von Kaiser Ludwig dem Frommen (814 –840) an dessen Hof in Aachen berufen wurde. Hier verfasste Walahfrid zahlreiche Gedichte, die von seinen Kontakten zu führenden Persönlichkeiten des Frankenreichs zeugen, darunter die politische Dichtung „De imagine Tetrici“ („Über das Standbild Dietrichs“).

Inspiriert war der Text durch das Reiterstandbild Theoderichs (gest. 526), das Karl der Große 801

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