Sichtbares Heldentum und unsichtbare Gewalt

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Kriegsfotografien aus der NS-Zeit sind Gesten des Zeigens. Wie der Finger, der in eine Richtung weist, sagen sie: Schau mal! So treffen sie Aussagen über die Wirklichkeit und schaffen neue Tatsachen.

Dr. Vera Marstaller Universität Freiburg im Breisgau

Forschung

Das Foto zeigt ein männliches und ein weibliches Paar Beine – Anzeichen für Krieg gibt es im Bild nicht.
Abb. aus: Die junge Dame, 11. August 1942 (10.16), S. 15, Foto: Reinhold Leßmann

Romantische Fotos aus der Zeit des Nationalsozialismus mögen auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Eine historisch-kritische Bildanalyse, die den zeitlichen Kontext und die damals verbreiteten Bildwelten berücksichtigt, macht jedoch deutlich, wie sehr die nationalsozialistische Ideologie darauf abzielte, selbst intimste Lebensbereiche mit Antisemitismus und dem deutschen Vernichtungskrieg in Verbindung zu bringen.

In einer Ausgabe der Illustrierten „Die junge Dame“ vom 11. August 1942 ist beispielsweise eine Schwarz-Weiß-Fotografie des Fotografen Reinhold Leßmann abgedruckt. Sie zeigt ein weibliches und ein männliches Beinpaar in großer Nähe. Doch worauf macht das Foto aufmerksam?

Erst eine genaue Betrachtung lässt den Kontext erahnen

Wird der flüchtige Blick in eine genaue Bildbetrachtung verwandelt, werden fünf Ebenen der fotografischen Geste bedeutsam. In der Fotografie von Leßmann betonen drei dieser Ebenen das Frauenbein: (1) Wie eine Zeigegeste verleiht das Foto dem Fotografierten eine besondere Bedeutung. Die Wahl des Ausschnitts und das Arrangement des Fotografierten lenken die Blicke: Im vorliegenden Beispiel füllt das Beinpaar einer Frau die obersten beiden Drittel des Bildausschnittes aus und steht im Zentrum der Fotografie. (2) Die fotografierte Bewegung drückt ihrerseits Bedeutung aus. Das im Gras liegende Männerbein in langer Hose wirkt wie ein Passepartout, das seinerseits das Bein der Frau betont. Das nackte, in die Luft gestreckte Frauenbein präsentiert sich ebenfalls als Blickfang.

(3) Auch die Perspektive des Fotografen ist eine Geste, auf bestimmte Art auf das Fotografierte aufmerksam zu machen. Und auch Leßmann, wie die Abgebildeten im Gras liegend, betonte durch die Untersicht, also durch eine Kameraperspektive aus einer niedrigen vertikalen Position, das nackte Frauenbein.

(4) Alltäglich sichtbare Bildwelten bestimmen, was als vertraut, was als unbekannt wahrgenommen wird. Im Nationalsozialismus wurde der Blick auf Fotografien durch die alltäglich sichtbare Kriegsf

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