Die Mutter aller Katastrophen

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Heute sind wir es gewohnt, dass bei Naturkatastrophen TV-Liveberichte im Minutentakt die Lage vor Ort beschreiben. Beim Ausbruch des Vesuvs am 24. Oktober des Jahres 79 war das alles noch anders. Doch der Althistoriker Michael Sommer wagt das Experiment: Er lässt den fiktiven römischen Reporter Publius Petronius Priscus über die dramatischen Ereignisse berichten.

Die Ereignisse am Fuß des Vesuvs im Jahr 79 haben zahlreiche Künstler inspiriert. Der englische Maler John Martin schuf dieses dramatische Werk 1822. Der Betrachter blickt von Stabiae über die Bucht von Neapel in Richtung der beiden Städte Pompeji und Herculaneum, deren Schicksal der Ausbruch besiegelte.
Bridgeman / Tabley House Collection

Willkommen zu dieser Sondersendung von „Palatin direkt“, dem heißen Draht zum Kaiserpalast. Aus der Hauptstadt berichtet Publius Petronius Priscus für „Nuntiae Urbis Romae“ („Nachrichten aus der Stadt Rom“). Es ist die fünfte Stunde, und die ersten Gäste versammeln sich vor dem Palast auf dem Palatin. Heute ist ein großer Tag. Unser Herr, Imperator Titus Caesar Vespasianus Augustus, Sohn des vergöttlichten Vespasianus, wird sein neues Sozialgesetz verkünden.

Erwartet werden Erleichterungen für kinderreiche Familien und die Aufstockung der Getreiderationen für Bedürftige. Umrahmt wird die Rede des Kaisers von einem großen Galadiner. Auf dem Palatin ist versammelt, was Rang und Namen hat. Dort sehe ich den Konsul Flaccus, da hinten Gallus Fabricius, den Senator, den Vespasian vor ein paar Jahren aus der Verbannung zurückgeholt hat. Er soll im nächsten Jahr Konsul werden, munkelt man. Und da ist auch Cornelius Tacitus, der vorletztes Jahr die Tochter des Generals Agricola geheiratet hat. Endlich eilt auch der Caesar Domitian, der Bruder des Kaisers, die Freitreppe empor, wie immer im spiegelblanken Militärornat – und wie immer eine halbe Stunde zu spät.

Doch was ist das? Ein Reiter stürmt vor das Portal. Sein Mantel ist voller Staub, das Pferd schwankt erschöpft. Er redet auf die Wache ein. Ich höre nicht, was er sagt, aber auf den Gesichtern der Soldaten spiegelt sich blankes Entsetzen. Was ist geschehen? Droht ein neuer Aufstand in Judaea? Brennt Britannien? Haben die Germanen die Rheingrenze überrannt?

Noch dringt nichts durch. Der Bote wird zusammen mit dem Kaiser in den Palast geführt, die Gäste bittet man, draußen zu warten. Ich melde mich, sobald ich Näheres weiß.

+++ EILMELDUNG: Vesuv bei Neapel ausgebrochen +++

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