Von Gräbern und Graffiti

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Die Gebäude in Pompeji sind so gut erhalten wie in keiner anderen römischen Stadt. Doch was weiß man über die Menschen, die hier gelebt haben? Überraschend aufschlussreich sind hierfür Grabinschriften und die Kritzeleien an den Hauswänden der Stadt.

Blick auf die Gräberstraße vor dem Herkulaner Tor in Pompeji. Die Grabbauten waren mit Reliefs und Inschriften versehen, die den Passanten die Biographie und die Verdienste der Verstorbenen näherbrachten. Die aufwendigen Bauwerke wurden oft bereits zu Lebzeiten begonnen (Fotochrom-Druck, 1900).
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Dem antiken Menschen war es möglich, bereits vor dem Betreten einer Stadt wie Pompeji oder Herculaneum einen ersten Einblick in deren Geschichte, Wohlstand und Sozialstruktur zu erhalten. Dies liegt vor allem in dem Phänomen begründet, dass die Toten in der Antike immer außerhalb einer Siedlung bestattet werden mussten. Hinzu kommt jedoch, dass man seit dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. in Italien begann, große und aufwendige Grabbauten an exponierten Stellen zu errichten, wofür sich insbesondere die vielfrequentierten Ausfallstraßen antiker Städte anboten.

Diese Grabbauten mit ihrem Architekturdekor, ihren Bildern und Inschriften richteten sich so wie Ehrenmonumente an die vorbeieilenden Passanten. Wenn man also um die Mitte des 1. Jahrhunderts zu dem etwa 30-tägigen Fußmarsch von Rom nach Pompeji aufbrach, passierte man unzählige Gräber und Gräberstraßen einer Vielzahl von Städten und entwickelte allein durch die bloße Anschauung ein Gefühl für die Unterschiede zwischen diesen. Man konnte wohl sehr schnell feststellen, ob eine Stadt ihre große Zeit bereits hinter sich hatte oder vielleicht im Gegenteil gerade einen Boom erlebte.

Wenn man allerdings schreibt, dass man einen ersten Einblick in die soziale Struktur einer Stadt erhalten konnte, so ist dies nur bedingt richtig. Manch marginalisierte Gruppen, wie Sklaven oder verarmte Freie, die sich keine aufwendige Bestattung leisten konnten, waren auch in den Gräberstraßen nicht durch Einzelmonumente sichtbar.

Besonders Freigelassene nutzen Gräber als Zeugnisse für ihren Erfolg

Anderen Teilen der Gesellschaft boten die Gräberstraßen hingegen ganz neue Möglichkeiten, weil dieser Raum weit weniger reglementiert war als die öffentlichen Bereiche innerhalb der Städte. In der Kaiserzeit war es in Italien vor allem die große Gruppe der Freigelassenen, die diese Möglichkeiten nutzten und oft schon zu Lebzeiten aufwendige Grabbauten für

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