daheim
12 April 2019

Liebe Leserinnen und Leser, vor einigen Wochen verbrachten meine Frau und ich ein paar Tage im Allgäu. Wir hatten uns in ein schönes Hotel in Oberstdorf eingemietet, und obwohl das Wetter eher durchwachsen war, genossen wir einen erholsamen Aufenthalt mit gutem Essen, Saunagängen und Skiausflügen. Für Letztere zog es uns ins Kleinwalsertal, das unmittelbar hinter Oberstdorf ins Gebirge führt. Das Tal bildet eine funktionale Enklave: Obwohl es zum österreichischen Vorarlberg gehört, führt die einzige Straßenverbindung über das deutsche Oberstdorf. Entsprechend passiert man heute noch die kleine Grenzstation Walserschanz, wenn man in diese wunderschöne Sackgasse in den Alpen fährt. Dem Schengener Abkommen sei Dank, finden dort schon lange keine Kontrollen mehr statt. Beim Passieren spürte ich einmal mehr kindliche Freude darüber, dass man in Europa fast überall nach Lust und Laune von einem Staat in den anderen wechseln kann. (Mir ist bewusst, dass nicht alle Europäer meine Freude uneingeschränkt teilen.) Wie beschränkt meine eigene Sicht auf geografische Grenzen ist, wurde mir klar, als ich nach einem Tag auf der Piste mehr zur Geschichte des Kleinwalsertals recherchierte. Nicht nur Österreich und Deutschland grenzen hier aneinander, sondern auch Afrika und Europa! In der jüngeren Kreide (also vor mehr als 66 Millionen Jahren) stießen beide Kontinente aufeinander und schichteten die Alpen auf. Der Widderstein, mit 2533 Metern höchster Berg der Region, ist geologisch Afrikaner, der Hohe Ifen (2230 Meter) Europäer. Nun grüble ich, ob mein Konzept von Völkern und Staaten nicht sehr begrenzt ist. In der Erdgeschichte markieren 1000 Jahre einen Wimpernschlag. Deshalb formuliere ich vorsichtig – und wünsche Ihnen viel Freude an den schönsten Seiten dessen, was im Augenblick Deutschland ist. Augenzwinkernd grüßt Sie Ihr Michael Kallinger, Chefredakteur

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