MAN WUNDERT SICH

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…ÜBER DEN KONTROLLZWANGDIE MAROTTEN DER MENSCHEN IRRITIEREN UNSEREN KOLUMNISTEN CORNELIUS POLLMER JEDEN MONAT. DIESMAL FRAGT ER SICH, WARUM LEUTE IHR GANZES LEBEN TRACKEN

CORNELIUS POLLMER arbeitet im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“, wo die Abrufzahlen von Artikeln genaustens erfasst werden. Schön ist das, aber mindestens genauso schade.

FOTO: DELIA BAUM/JOSEPHINE RAIS

was ist Liebe im Jahr 2023? Etwa, dass ein Freund letzte Woche das Fitnessarmband seiner Partnerin anlegte, vor die Tür ging und trotz größter Zeitnot ordentlich Meter machte, während sie daheim krank im Bett lag. Ihre größte Sorge war nicht ein neuerlicher Fieberschub oder dass die Taschentücher ausgingen, ihre größte Sorge war ein plötzlicher Einbruch ihrer Bewegungsstatistik.

Der Markt ist messbar

Aus solcher Hilfestellung wird schnell ein Vollzeitjob, vielleicht sogar ein Markt. Ich könnte eine Full-Service-Agentur gründen, die kranken oder verreisten Menschen hilft, in ihren Messungen nicht zurückzufallen. Es gäbe genug zu tun. Ich würde Freifahrten buchen, damit die Bonusmeilen nicht verfallen, und auf dem E-Reader durchwischen, damit die Prozentanzeige des Fortschritts in die Höhe klettert. Ich würde bei Spotify ein paar ausgesuchte Playlists durchlaufen lassen, um den betrunkenen 90s-Anfall von neulich nachts rechtzeitig noch aus den Jahrescharts zu verdrängen. Dann noch die tägliche Session in der Meditations-App durchhalten und bei Duolingo eine Lektion abliefern.

Sicher, ich müsste diszipliniert sein und mich anstrengen, aber dann könnte es klappen, dann könnte ich noch auf acht Stunden qualitativ hochwertigen Schlafs kommen, und die bräuchten gestresste Auftraggeber und Auftraggeberinnen doch sicher besonders!

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