WE NEED TO GIVE AF*CK

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Sie findet meist hinter verschlossenen Türen statt, deshalb ist es so leicht, die Augen zu verschließen. Dabei hat Sexarbeit mehr mit uns zu tun, als wir glauben! Denn der Umgang unserer Gesellschaft mit Prostituierten spiegelt unseren Umgang mit Frauen generell wider

TEXT: KATJA LEWINA

RIESIGES ROTLICHTMILIEU Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland etwa 2020 Prostitutionsgewerbe und 140 Prostitutionsvermittlungen – die Nachfrage scheint groß, auch wenn die meisten dem lieber im Geheimen nachgehen
FOTO: ALEXEY KUZMA/STOCKSY

Frauen, die Sex verkaufen – das sind die anderen. Die, die aufgedonnert an der Straße stehen, die wir zufällig entlangfahren. Deren Wohnwagen uns an der Landstraße begegnen. Die sich medienwirksam mit den Tausendern rühmen, die sie in einer Nacht verdienen. Die Verschleppten und Ausgebeuteten. Die, die andere davor warnen. Alles Frauen, die in einer Parallelwelt leben. Einer Welt, die nichts mit uns zu tun hat. Denken wir jedenfalls. Dabei ist sie uns viel näher, als wir annehmen. Schätzungen gehen von bis zu 400.000 Personen in Deutschland aus, die hauptberuflich oder auch nur gelegentlich Sex für Geld anbieten. Es ist, statistisch gesehen, also ziemlich wahrscheinlich, dass wir so jemanden kennen – natürlich, ohne es zu wissen. 92 Prozent der Sexarbeitenden lassen laut einer Studie ihr Umfeld ganz oder teils in Unkenntnis über ihre Tätigkeit. Das Resultat: Wir wissen kaum etwas über diese Menschen als die Extreme, die uns die Medien mit ihrer Sensationsgeilheit liefern. Und sind unseren eigenen kruden Gedanken, Theorien und Ideen zu ihnen ausgeliefert.

Die Auswirkungen des Hurenstigmas

Warum es dieses große Schweigen überhaupt gibt, frage ich Catrin Altzschner. Die Journalistin hat für das Buch „Give a fck: Zwischen Sexualität, Tabu und Selbstbestimmung – Warum Sexarbeit uns alle etwas angeht“ mit zahlreichen Sexarbeitenden gesprochen. Sie fragt zurück: „Warum sollten sie denn ein Interesse daran haben, dass wir von ihnen wissen? Es bringt nur Nachteile mit sich. Vielleicht haben sie Kinder in der Schule, eine Wohnung, die sie nicht verlieren wollen, oder einen Arbeitgeber, vor dessen Reaktion sie sich fürchten.“

Was Catrin Altzschner da beschreibt, sind Auswirkungen des sogenannten Hurenstigmas. Sexarbeitende stellen unsere Vorstellungen über romantische Liebe, Monogamie und vor allem die weibliche Sexualität infrage: Für Frauen hat Sex vor allem in der Paarbeziehung stattzufinden. Und wenn sie mal ein wenig Zerstreuun

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