Alter, was soll das?!
Filler oder Falten? Facetune oder unverfremdet? Madonna mia! Die Gesellschaft macht es Frauen fast unmöglich, in Würde zu altern – was auch immer das bedeuten soll. Unsere Autorin hinterfragt diekörperliche Zweiklassengesellschaft
TEXT: KATJA LEWINA
GESELLSCHAFT
8 Min. Lesedauer
Manchmal, wenn ich in der unbarmherzigen Morgensonne vor dem Spiegel stehe und meine leicht erschlafften Gesichtszüge mit den Fingern nach oben ziehe, fühle ich mich sehr, sehr alt. Mit ein paar kleineren Eingriffen könnte ich locker zehn Jahre für mich rausholen, so viel ist sicher. Wie 29 aussehen statt wie 39, das wäre doch was! Wenn ich mich so umgucke in der Stadt, auf Instagram oder der Kinoleinwand – ich wäre nicht die Einzige. Wir müssen uns dem Alter nicht mehr hoffnungslos hingeben wie unsere Großmütter. Nein, wir haben die Wahl, ob wir die Natur ihre Arbeit verrichten lassen wollen oder eben nicht. Doch am Ende scheint es fast egal zu sein, wie wir uns entscheiden. Richtig machen kann eine Frau es jenseits der 40 so oder so nicht: Die Welt schreit genauso empört auf, wenn Sarah Jessica Parker eine Strähne grauen Haars in ihrer blonden Mähne aufblitzen lässt, wie wenn Madonna ihr glatt gebügeltes Gesicht zeigt. „Soll ich aufhören, älter zu werden?“, fragt Sarah Jessica Parker. „Oder von der Bildfläche verschwinden?“
„So wie all die anderen“, möchte man hinzufügen. Denn sichtbar sind ältere Frauen ohnehin kaum. Beim letzten „Top Gun“-Film zum Beispiel, da hat der selbst nicht mehr ganz frische Tom Cruise die im Original mitspielende Kelly McGillis nicht mal angefragt und durch die vierzehn Jahre jüngere Jennifer Connelly ersetzt. Während immer mehr Brands ihre Größen erweitern und zumindest manche Models ein scheinbar normales Essverhalten haben, sieht man peu à peu zwar auch auf den Laufstegen Age-Diversity, allerdings ist noch viel Luft nach oben. Genauso wie in der Beauty-Industrie, wo einem ältere Frauen meist nur entgegenlächeln, weil sie auf Plakaten Anti-Falten-Produkte verkaufen.
Herzlich willkommen in der fabelhaften Welt des Age-Shaming! Während andernorts gegen Body-Shaming und für Diversity gekämpft wird, ist Altsein in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor beinahe undenkbar. Und so bedecken viele Frauen brav ihr nicht mehr ganz so faltenfreies Dekolleté, kaschieren das Winkfleisch an den Oberarmen, sortieren die Bikinis aus dem Schrank. Und überhaupt, mir fällt beim besten Willen kaum eine Frau unter Siebzig ein, die ihr Haar naturgrau trägt. Wie kann da
