ZEIT FÜR Bauchgefühl

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Gerade sehen wir „Red Flags“ überall – und bald die Liebe vor lauter vermeintlicher Warnzeichen nicht. Unser Autor fragt sich: Sollten wir beim Dating nicht wieder mehr auf unsere Intuition hören? Ein Kommentar

TEXT: YANNICK WERANI

ICH B(R)AUCH DEN KOPF Entweder rational denken oder auf den Bauch hören?
Wissenschaftler*innen wissen mittlerweile, dass die beiden Pole einander nicht ausschließen. Im Gegenteil: Nur in Kombi werden Entscheidungen geformt
ILLUSTRATION: TYLER SPANGLER

v Vor Kurzem auf einer WG-Party in Berlin. Ich komme gerade in die Küche, um mir einen Drink aus dem Kühlschrank zu holen, als mich ein Typ fragt: „Und, was ist deine biggest Red Flag bei Männern? Auch Skinny Jeans?“ Ich schlucke, aber nicht meinen Sekt Mate. „Wahrscheinlich ist es die, sich beim Beurteilen von Beziehungsmaterial nur noch an Red Flags aufzuhängen“, antworte ich und ernte verhaltenes Kichern und ein paar unsichere Kopfnicker.

Schließlich geht es derzeit in jedem Small-Talk-Gespräch und Beziehungskontext um diese roten Warnzeichen, die einem angeblich sofort signalisieren sollen: Stopp, bis hierhin und nicht weiter, mit dem*der anderen ist keine gesunde Partnerschaft möglich. Die Idee dahinter ist gut und wichtig, sollte sie ursprünglich echt toxische Verhaltensweisen entlarven. Etwa: Wenn jemand kein Nein akzeptieren kann oder persönliche Grenzen nicht einhält. Oder er*sie durch gezielte Manipulation und Lügen dafür sorgt, dass man sich selbst infrage stellt. Mittlerweile jedoch nimmt die Verwendung des Begriffs eine solche Oberhand, dass man überall nur noch Red Flags wehen sieht. Etwa auf TikTok. Klar ist es lustig, dass ungekämmte Perserkatzen für eine*n Influencer*in ein absolutes No-Go sind, oder Menschen mit Sternzeichen Skorpion, weil sie sicher „totale Soziopathen“ seien. Ich finde zum Beispiel Geiz, obwohl ich aus Schwaben komme, ganz und gar nicht geil. Gibt ein Typ also kein Trinkgeld, ist das für mich ein harter Turn-off.

Aber: Menschen sind nun mal sonderbar. Und macht uns das nicht gerade spannend? Andere aufgrund von Details, die man vielleicht unsexy findet, direkt als „un-date-bar“ abzustempeln, hat für mich was von einer ewigen Suche nach der ungekrümmten Banane – und vermutlich auch eher was von Bindungsangst. Irgendwas ist ja schließlich immer. Würde ich also jede schlecht sitzende oder unmoderne Hose zwischen mich und potenzielle Partner kommen lassen, hätte ich jedes Mal eine gute Ausrede für mich parat, um auszusteigen, bevor

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