ICH FREUE MICH JA SO FÜR DICH

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Befeuert von gesellschaftlichen Strukturen herrschte unter Frauen lange ein Gefühl vor: Neid. Doch das wird jetzt von einem sehr schönen, sehr mächtigen Phänomen abgelöst. „Freudenfreude“ heißt das frenetische Mitfeiern von Erfolgen. Unsere Autorin erzählt hier, wie sie selbst lernte, die Errungenschaften anderer nicht mehr als Bedrohung zu sehen

TEXT: LISA FRIEDA COSSHAM

AUF UNS!
Für ihre Leistungen im Film „Everything Everywhere All at Once“ räumten die BFFs Jamie Lee Curtis (r.) und Michelle Yeoh (l.) je einen Oscar ab. Bei den Golden Globes zuvor hatte nur Letztere gewonnen und wurde von Jamie Lee Curtis dafür überschwänglich bejubelt. Der Solidaritäts-Moment schrieb Feminismusgeschichte
FOTO: GETTY IMAGES

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Seit einigen Monaten geht ein Bild um die Welt, das die amerikanische Schauspielerin Jamie Lee Curtis zeigt. Sie hat die Arme hochgerissen, es ist eine Siegergeste. Fast meint man, sie brüllen zu hören. Ekstatisch wirkt sie, der Jubel hat ihren Körper vollkommen erfasst. Die Aufnahme entstand bei der Verleihung der Golden Globes. Gewonnen hat dort aber nicht Jamie Lee Curtis. Sondern ihre Kollegin Michelle Yeoh, die neben ihr saß. Das muss man wissen, sehen kann man es nicht, so übermächtig froh und stolz wirkt Jamie Lee Curtis, und diese Mitfreude ist es, die das Bild berühmt macht. Sie vergrößert den Moment. Sie versprüht das Glück der Preisträgerin wie eine Wunderkerze und lädt uns ein, an ihm teilzuhaben. Jamie Lee Curtis reagiert zutiefst solidarisch, das ist es, was uns berührt.

FREUDE MACHT FREUND*INNEN

Wir beobachten solche Momente nämlich selten. Die meisten von uns hatten im aktiven Wortschatz nicht mal einen Begriff für das, was da in Beverly Hills passiert ist an diesem Dienstagabend im Januar. Dass wir mitjubeln, geschieht irgendwie nebenbei, wie Schluckauf, wir sind uns dessen selten bewusst. Dabei wirkt es ansteckend und hebt in Sekunden unsere Laune.

Amerikanische Psycholog*innen nennen dieses Phänomen „Freudenfreude“, ein Neologismus, der das Gegenteil von Schadenfreude meint. Mit der Schadenfreude sind wir vertraut, mit der „Freudenfreude“ nicht. Die „New York Times“ war es, die dieses Phänomen kürzlich aufgriff und Wissenschaftler*innen zu Wort kommen ließ, die sich seit mehr als zehn Jahren mit der „Freudenfreude“ beschäftigen. Bei der Fähigkeit, sich mit anderen mitzufreuen, handelt es sich nicht bloß um eine nette Geste, so ihre Feststellung. Stattdessen ist „Freudenfreude“ ein Gefühl, das uns messbar glücklich macht und miteinander verbindet. Das uns gegenseitig

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