DER TAG, DER MEIN LEBEN VERÄNDERTE

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An manche Daten erinnert man sich genau. Weil etwas passiert ist, was das Leben in eine völlig neue Richtung schubste. Vier Menschen, vier Schicksale – und was sie Bewundernswertes daraus machten

TEXT: INES SCHIPPERGES 9 Min. Lesedauer

„Am 5. August 2019: STAND ICH ZUM ERSTEN MAL FÜR MICH EIN“

AUS ANGST UND WUT WIRD MUT
Layla Bürk hat nicht nur gelernt, sich für sich selbst starkzumachen. In Mentoring-Programmen und auf ihrem Insta-Kanal @layla.buerk ermuntert sie jetzt auch andere Menschen dazu
FOTOS: DOMINIK PFAU (1), NILS HASENAU (1)

Der Zwei-Meter-Mann blickte sie mit hasserfüllten Augen an. „Ein rassistischer Angriff, schon wieder?“, schoss es ihr durch den Kopf. Layla Bürk arbeitete als Physiotherapeutin in einem Reha-Zentrum, der Patient hatte ihr ein Handtuch zurückgeben sollen. „Doch statt es mir zu reichen, schlug er es mir mit Wucht ins Gesicht.“ In diesem Moment verwandelte sich das wochenlang in ihr schwelende Unwohlsein in pure Angst. Für Layla Bürk, die als Tochter einer aus Ghana Geflüchteten und eines US-Amerikaners kurz nach ihrer Geburt von weißen Eltern adoptiert wurde, gehört Rassismus zum Alltag. Doch in ihrem Umfeld gab es niemanden, der sie wirklich verstehen konnte. Also machte sie vieles mit sich selbst aus. Und auch im Reha-Zentrum wurde ihr von Kolleg*innen und Patient*innen gezeigt: „Du gehörst nicht dazu.“ Entfliehen konnte sie nicht, sie brauchte den Job. Bis zu jenem Tag, an dem ihr plötzlich klar wurde: „Ich kann mich nicht für immer verkriechen. Aber ich kann lernen, für mich selbst und für andere einzustehen.“

Zwei Wochen nach dem Angriff kündigte sie, fand einen Monat später einen neuen Job als Sportlehrerin an einer Grundschule. „Kurz darauf wurde ich wieder von einer Kollegin rassistisch beleidigt“, sagt sie. Doch dieses Mal gab Layla Bürk Kontra und beschwerte sich beim Schulamt. „Denn es hatte sich etwas verändert – in mir selbst“, sagt sie. Dadurch wurde sie zum Vorbild für ihre Schüler*innen, zur Vertrauensperson. Als ihr ein schwarzes Mädchen erzählte, eine Mitschülerin habe zu ihr gesagt: „Alle Schwarzen an der Schule sind dumm“, ging sie mit den Kindern zur Schulleiterin – und wurde daraufhin von den Eltern der Mitschülerin selbst angegriffen und verleumdet. Doch um den Kids zu zeigen, dass es sich lohnt, sich zu wehren, kämpfte sie weiter, wandte sich ans Kultusministerium, kam in Kontakt mit anderen Menschen, die sich gegen Rassismus engagierten. Seither leistet Layla Bürk Aufklärungsarbeit an Schulen und ist neben ihrer Arbeit als Sportlehrerin auch als Coach und Speaker gegen Rassism

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