Erst komm ich, dann andere?

5 min lesen

Menschen, die ihre Bedürfnisse klar kommunizieren, sind krass egoistisch, sagen die einen. Erfolgreiche Selbstabgrenzung sei der Schlüssel zum Glück, die anderen. Zwei Autorinnen finden im Streitgespräch heraus, wann es wichtig ist, an sich selbst zu denken

TEXT: SINAH HOFFMANN 7 Min. Lesedauer

EGO? NA LOGO! In jedem Menschen stecken narzisstische Anteile, bestätigt auch die Forschung. Innerhalb eines Lebens sind diese aber unterschiedlich ausgeprägt und in der Jugend markanter als im Alter

ich mach mein Ding! Oder lieber nicht? Sind Menschen, die klar zu sich und ihren Bedürfnissen stehen und diese auch durchsetzen, nur unsympathische Ego-Shooter? Nein, findet die Journalistin Frieda Cossham. Sie sagt, nur wer gut für sich selbst sorgt, kann sich auch gut um andere kümmern – und eine echte Bereicherung für die Gesellschaft sein. Cosmo-Autorin Sinah Hoffmann hält dagegen, weil sie glaubt: Wir dürfen nicht nur unser eigenes Wohl im Sinn haben. Ein Gespräch über erfolgreiche Selbstabgrenzung, schlechtes Gewissen und die Frage: Wie viel Eigennutz vertragen Freundschaften?

SINAH HOFFMANN: Wann haben Sie das letzte Mal nur an sich gedacht?

FRIEDA COSSHAM: Bei der Taufe meiner Nichte vor ein paar Wochen. Meine Schwester wollte, dass ich bei ihr auf der Couch schlafe. Ich habe mich geweigert und ein Hotel gebucht. Mir war es wichtig, nach dem ganzen Familienwahnsinn meine Ruhe zu haben.

SH: Für mich schwingt da viel „Mimimi“ mit. Eine Taufe ist ein einmaliges Erlebnis. Kann man sich in solchen wichtigen Momenten nicht mal hinten anstellen und anderen den Vorrang lassen?

FC: Das war lange genug meine Strategie. Ich habe mich früher in den Bedürfnissen anderer Menschen verhaspelt, mich an ihnen abgearbeitet, war überangepasst. Ein großer Fehler. Denn: Am Ende waren alle um mich herum happy – ich aber traurig, erschöpft und verbogen. Mittlerweile ziehe ich Grenzen und achte mehr auf meine eigenen Bedürfnisse. Auch wenn das bedeutet, dass ich mal einen Wochenendbesuch absage, einen Anruf ignoriere, wenn ich lieber lesen möchte, oder darauf bestehe, dass wir in ein Restaurant gehen, das ich ausgesucht habe.

SH: Mein Gewissen würde sich sofort querstellen.

FC: Warum? Weil es Ihnen schwerfällt, Nein zu sagen?

SH: In Freundschaften, Beziehung und auch im Job heißt die stärkste Währung Verlässlichkeit. Mir ist es wichtig, dass alle wissen: Ich halte mein Wort und bin jederzeit zur Stelle, wenn es brennt. Ich würde zum Beispiel nie eine verheulte Freundin, die gerade ihren Job verloren hat, aus meiner Küche werfen, auch wenn sie da schon de

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel