ROBBIE ROBERTSON

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5. Juli 1943–9. August 2023

Wir gedenken eines Architekten zweier musikalischer Revolutionen, die die Welt veränderten, eines kanadischen Songwriters und Gitarristen, dessen höchst einflussreiche Gruppe The Band das gesamte Americana-Genre erfand.

Am 1. Juli 1968 schlug das Debütalbum einer kuriosen neuen Gruppe mit Nachdruck in der Musikwelt ein und wirkte sich praktisch ab dem ersten Moment auf alles aus, was folgen sollte. MUSIC FROM BIG PINK war ein Rätsel, klang roher und erdiger als der lysergisch geschichtete, aufgeblasene Rock jener Zeit und fühlte sich komplett fehl am Platz an in den damaligen Trends.

Doch diese explosive Mischung aus Country, Gospel und R&B sollte sich als prägend erweisen. Der begeisterte Eric Clapton löste das virtuose Powertrio Cream auf, um sich ähnlich bodenständigen Klängen zu widmen. George Harrison, besessen in seiner Liebe für die Authentizität dieser Songs, führte die Beatles wieder zu Live-Studioaufnahmen zurück. Die Rolling Stones kehrten ihren psychedelischen Launen den Rücken und besannen sich wieder auf ihre Wurzeln im Blues. Und The Who betrachteten die Schöpfer der Platte als echte Genies: „MUSIC FROM BIG PINK“, sagte Roger Daltrey, „ist eines der besten Alben aller Zeiten.“

In seinem Versteck in den Bergen des Bundesstaats New York hatte dieses undurchschaubare Kollektiv aus vier Kanadiern und einem Amerikaner unbewusst den Lauf der Musikgeschichte verändert. Und sie hatten nicht mal einen Namen.

„Es sah aus, als würden wir gegen die Rebellion rebellieren“, erzählte mir der einstige Gitarrist von The Band 2005. „Und vielleicht ist das auch wahr, aber ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand gesagt hätte: ‚Lasst uns gegen die Rebellion rebellieren.‘“

Robertson war zu dem Zeitpunkt eines von drei noch lebenden Mitgliedern der Gruppe, und der einzige, der ihr Vermächtnis pflegte – gerade hatte er das umfassende, ihre gesamte Karriere abdeckende Boxset A MUSICAL HISTORY produziert. Er war diese Rolle schon gewohnt – als Hauptsongwriter und Sprachrohr war er durch seine Bemühungen, das Potenzial und die Kraft seiner zunehmend unbeherrschbaren Genossen auszuschöpfen, de facto zu ihrem Anführer geworden. Was sich jedoch als zweischneidiges Schwert erwies: Nachdem er Mitte der 70er die Auflösung der Formation initiiert hatte, wurde Robertson später von manchen ungerechterweise verteufelt und bezichtigt, seine Kollegen unfair behandelt zu haben.

Eine übertriebene Anschuldigung, verstärkt durch die beißende Kritik in der 1993er-Autobiograf ie von Schlagzeuger Levon Helm. Robertson wurde immer wieder aufgefordert, darauf zu reagieren. Für die Wenigen, die seine späteren Erfolge als Solokünstler und renommierter Filmmusik-Komponist übersehen haben, waren es erst sein überraschender Tod und die darauf folgende Flut an Ehrungen,

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