”ABSURD UND UTOPISCH“

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INTERVIEW

ist der wohl bekannteste deutsche Ökonom und emeritierter Professor der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war von 1999 bis 2016 Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Sinn ist bekannt für seine Arbeiten zur Wirtschaftspolitik und europäischen Integration. Er hat 22 Bücher sowie über 140 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und ist gesuchter Berater in wirtschaftlichen Fragen.

Bild: Julian Mezger/Börsenmedien

INTERVIEW

Professor Hans-Werner Sinn über desaströse Energiepolitik, falsche Sozialanreize, zunehmenden Dirigismus, drohende Verteilungskämpfe zwischen Jung und Alt in Deutschland, dauerhaft höhere Inflation – und Vorzüge von Aktien

BÖRSE ONLINE: Die Autoindustrie ist das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands, wird aber durch den Übergang zum E-Auto belastet. Ist sie ersetzbar?

Hans-Werner Sinn: Eine direkte Ablösung der Autoindustrie durch eine andere Branche ist nicht absehbar. Doch zeigt unsere Pharmaindustrie insbesondere bei neuen genbasierten Therapien beeindruckende Stärken. Ein vielversprechender neuer Cluster entwickelt sich um Biontech im Umfeld von Mainz.

Sie sagen: „Der Auspuff eines Elektroautos ist nur ein Kohlekraftwerk weit entfernt.“ Können wir mit E-Mobilität das Klima schützen?

Nein. Zunächst haben wir noch eine Menge Kohlestrom im Netz. Zweitens sollen ja viele neue Gaskraftwerke gebaut werden. Elektroautos fahren also nicht nur mit grünem Strom. Die Batterien werden meist in Ländern wie China produziert, deren Kohleanteil im Strommix sogar noch höher ist als in Deutschland. Vor allem aber bleiben die fossilen Brennstoffe, die wir in Europa nicht nutzen, nicht im Boden, sondern werden anderswohin geliefert und verbraucht. Durch europäische Regulierungen bedingte Nachfragereduktionen führen zu niedrigeren Weltmarktpreisen. Das billigere Öl verbrennen andere Länder gerne.

Unsere Politik ist nicht nur ineffektiv, sondern hat auch ungewollte Folgen?

Genau. Wir suggerieren, dass wir zumindest einen kleinen Beitrag leisten können, aber das ist nicht der Fall. Die globale Ölproduktion reagiert nicht auf von Europa verursachte Preisänderungen am Weltmarkt. Das Öl wird einfach woanders verbrannt. Die unilaterale nachfrageorientierte Klimapolitik der EU scheitert auf ganzer Linie. Die einzig wirksame Politik wäre, dass die Förderländer das Öl im Boden lassen. Das ist schwer zu erreichen, es sei denn, alle verbrauchenden Länder schließen sich zusammen und senken gemeinsam ihre Nachfrage. Das hat die Pandemie gezeigt: Die Nachfrage sank weltweit, der Ölpreis fiel massiv, die Produktionsländer mussten die Förderung drosseln, um den Preis wieder hochzutreiben.

Sie sprechen von einem „Klima-Club“.

Die Idee ist, dass Länder, die dem Club beitreten, sich verpflichten, ihre CO-Emissionen gemei

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