„Tabus brechen“

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INTERVIEW

INTERVIEW Warum Deutschlands Wirtschaft so starr ist, die Produktivität leidet – und wie die Wende gelingt. Die Diagnose von Thomas Mayer

BÖRSE ONLINE: Herr Mayer, Sie bezeichnen das Geschäftsmodell der Deutschland AG als „kaputt“. Ist die Lage wirklich so düster?

Thomas Mayer: Ich glaube schon. Die Situation ist diesmal vertrackter als in den vergangenen Phasen, in denen wir Schwierigkeiten hatten. Ich erinnere mich zurück an die 70er-Jahre mit der Ölkrise. Das Problem war ziemlich klar definiert. Man fand dann eine Lösung. Oder die frühen 2000er-Jahre mit der hohen Arbeitslosigkeit. Die Regierung Schröder kam mit der Agenda 2010 und adressierte das Problem. Heute fehlt die Fähigkeit, uns an eine veränderte Welt anzupassen.

Was müsste man denn dann tun?

Wir haben zwei Mängel. Erstens Einsicht und zweitens die Fähigkeit zur Umsetzung. Wir haben über die letzten 15, 20 Jahre unser bewährtes Geschäftsmodell, das stark auf Eigeninitiative und eine liberale Wirtschaftsordnung setzte, immer mehr verwässert. Und wir haben immer mehr darauf gesetzt, dass der Staat die Dinge richtet. Das macht die Wirtschaft sperrig, und die Anpassungsmöglichkeiten sind gering. Wir kennen das aus den zentral geplanten Wirtschaften des ehemaligen real existierenden Sozialismus. Die waren unfähig, sich anzupassen.

Ist das ein rein deutsches Problem?

Das gilt sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Die Europäische Kommission ist zur zentralen Planungsinstanz geworden, die sich über kleinteilige Dinge kümmert wie Glühbirnen. Bürokratie ist die Folge dieser Zentralplanung. Und es fehlt weitgehend die Einsicht, das zu ändern. Und wo sie doch da ist, fehlt die Kraft zur Veränderung. Wir brauchen einen kleineren Staat, mehr private Wirtschaft. Dabei wollen wir der Wirtschaft mit Regulierungen et cetera eigentlich helfen. Stattdessen produzieren wir immer mehr Bürokraten, und die bewirken, dass das System in den Treibsand gerät. Da müsste man meines Erachtens komplett umdenken. Wirtschaftlicher Erfolg in Deutschland ergab sich aus der Kombination aus Know-how, Fleiß und billiger Energie.

Die billige Energie ist futsch.

Es bröckelt aber auch das Know-how. Da maßt sich der Staat an zu wissen, wie es geht. Know-how wird sozusagen durch staatliche Vorgaben immer mehr reduziert, ob bei Elektromobilität oder Kernkraft. Dazu kommt der Arbeitskräftemangel. Und dann fehlt noch die billige Energie, auf die das Geschäftsmodell aufgebaut war. Wir müssen flexibel sein, wieder mehr Know-how produzieren, wir brauchen fleißige Leute und müssen uns an die veränderte Energiesituation anpassen.

Energie ist ein Schlüsselfaktor. Wo soll die he

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