„Mama, ich möchte nach Hause“

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Aber ein Jahr danach lebt Melissa (4) immer noch im Zelt

BILD der FRAU in der Türkei – das Leid der Erdbeben-Kinder

Eben noch so ernst (l.), aber auf der Gummihüpfburg kann Melissa (r.) lachen

Melissas Stimme ist ganz leise, sie kämpft mit den Tränen. „Eve gitmek istiyorum“, flüstert das kleine Mädchen. „Ich möchte nach Hause.“ Dabei sitzt sie auf einer geblümten Decke, spielt lustlos mit ihrer Puppe.

Ihr Zuhause in der türkischen Provinz Hatay – das gibt es so nicht mehr. Am 6. Februar wackeln um 4.17 Uhr morgens plötzlich die Wände neben Melissas Bettchen. Die Vierjährige schreit. Irgendwie schafft Mama Hülja (34) es mit ihren Kindern raus, Melissa fest an sich gedrückt. Seitdem lebt die Familie im Zelt einer Hilfsorganisation.

„Unser Haus ist zwar nicht eingestürzt“, sagt Hülja und zeigt auf ein helles Gebäude vor der Bergkulisse im Hintergrund. „Aber im Beton sind Risse, wir dürfen nicht mehr rein.“

So wie Hülja und Melissa sind rund 2,4 Millionen Menschen allein im türkischen Süden obdachlos geworden. Darunter 660 000 Kinder. Eigenheime, Hochhäuser und Geschäfte fielen beim Erdbeben wie Kartenhäuser zusammen und begruben jeden unter sich, der es nicht schnell genug rausschaffte. Noch immer werden nicht mehr bewohnbare Häuser abgerissen, Trümmer beseitigt.

Wer die Stadt nicht verlassen konnte oder wollte, kam in einem Zelt- oder Container-Camp unter. Ein bisschen Schutz vor Regen und Kälte wie jetzt wieder im Februar, wo die Temperaturen bis auf den Gefrierpunkt sinken. Viele Bewohner bauten sich auch ein eigenes Lager neben ihren zerstörten Häusern.

So wie Esin (40), die mit ihrer Großfamilie in einem Eigenheim an der Einfahrtstraße zu Hatay lebte – bis das Beben es zerstörte. „Wir waren drei Tage lang unter den Trümmern eingesperrt“, erzählt die Frau mit immer noch brüchiger Stimme. „Wir dachten, wir ersticken oder erfrieren.“

Das Trauma sitzt tief: „Nachts kommen die Albträume“, sagt Esin und muss dabei sofort weinen. „Und was das alles mit den Kindern macht, mag ich mir gar nicht vorstellen.“

Ein bisschen Hoffnung und Lachen bringen die Besuche des türkischen Kinderspiel- und Sportverein-Verbandes „ÇOSKF“. Die Mitarbeiter und Betreuer fahren mit einem riesigen Truck durchs Erdbebengebiet. Für einen Tag bauen sie auf einem freien Platz, oft direkt in einem Zelt- oder Container-Dorf, eine Spielelandschaft mit Hüpfburg, Rutschbahnen & Co. auf. Dazu gibt es Kinderschminken, Tanzspie

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