Methusalems der Alpen

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Fast 1000 Jahre haben manche Bäume auf dem Buckel. Mit besonderen Strategien trotzen sie Dürre und Hitze. In den Alpen stehen einige außergewöhnliche Vertreter der uralten Giganten.

Text: Dagmar Steigenberger

Dieser Bergahorn im goldenen Herbstlicht steht bei Hinterriß im Karwendel.
FOTO: LOOKFOTOS/NORBERT L. MAIER, DAGMAR STEIGENBERGER

Keine Frage, ihr Antlitz ist gezeichnet vom Leben hier oben: Schüttere Strähnen von graugrünen Flechten zieren ihr Haupt, das mehrfach abgebrochen und an anderer Stelle wieder nachgewachsen ist. Ihre Äste krumm oder zersplittert, die Rinde an vielen Stellen abgeschabt, ihr Stamm durchlöchert von Spechthöhlen. Aber wer sonst kann schon von sich behaupten, das stolze Alter von 750 Jahren erreicht zu haben?! Und das angesichts solch schwieriger Bedingungen: an einem steilen Nordhang auf 1880 Metern Höhe, im Herbst vom Sturmwind durchgepeitscht, im Winter mit Schneemassen beladen und im Sommer zunehmend mit der Trockenheit kämpfend.

Noch hat sie jeden Schicksalsschlag gemeistert, die älteste Zirbe Tirols, die unterhalb des Zirbenwegs in einem abgelegenen Waldstück steht. Wanderer kommen für gewöhnlich nicht dorthin, in das unwegsame Gelände des Ampasser Kessels. Doch sie können den Baum aus der Ferne bewundern. Der Unzugänglichkeit der kleinen Naturwaldzelle hat der Baum es zu verdanken, dass ihn die Menschen über die Jahrhunderte hinweg stehen ließen, weil das Gebiet für die Holznutzung einfach nicht interessant genug war.

Fichten im Klimastress

Vielerorts hat der Mensch die ursprünglichen Wälder stark verändert. Ohne sein Eingreifen gäbe es aber auch keine Almwiesen und damit auch nicht die Artenvielfalt, die sich dort infolgedessen eingestellt hat. Die Fichte wäre dann in den Alpen eine rare Baumart, die man nur in kühlen, feuchten Senken und an Flussufern anträfe.

Die trockenen, heißen Sommer der vergangenen Jahre sind für die Fichte sehr anstrengend. Gestresst vom Durst halten die Flachwurzler den heftiger werdenden Stürmen nicht mehr stand und gehen ein. Das wiederum lockt die Borkenkäfer und andere Schädlinge, die sich angesichts des reich gedeckten Tisches explosionsartig vermehren und selbst vitale Fichten befallen. Ein grausames Domino-Spiel, dem die Forstwirtschaft versucht, Einhalt zu gebieten.

Im Sinne der Natur

Hätte man die Natur nach der letzten Eiszeit vor 15 000 Jahren sich selbst überlassen, würden Buchen unsere Bergwälder dominieren. Vor 6500 Jahren bedeckten sie 40 Prozent des europäischen Kontin

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