Mutter Erbe

4 min lesen

Wer bei Patagonia arbeitet, sollte nicht nur für Outdoorsport ein Faible haben, sondern auch für Umwelt und Klima. Das gilt umso mehr, seit Gründer Yvon Chouinard das Unternehmen der Erde vermacht hat.

Text: Bettina Willmes

FOTOS: CAMPBELL BREWER, KYLE SPARKS, TOM FROST

Irgendetwas war anders an diesem Montag im September 2022, das merkte Birgit Grossmann sofort. Zwar war es nicht ungewöhnlich, dass Patagonia-Mitarbeiter eine Einladung zu einer Online-Versammlung erhielten. Auch dass alle rund 3400 Angestellten weltweit teilnehmen sollten, hatte es schon öfters gegeben. Aber irgendwie wirkte diese Einladung anders: formeller, feierlicher. Die Marketing-Managerin wählte sich mit ihrem Team in München zu dem Termin ein und sah Patagonia-Gründer Yvon Chouinard auf dem Bildschirm. Schon nach seinen ersten Sätzen war klar: Ihr Gefühl stimmte. Etwas ganz Entscheidendes hatte sich geändert.

An diesem Tag verkündete der Firmengründer, dass er die Besitzverhältnisse an seiner Firma radikal ändern würde. Bislang war sie Eigentum seiner Familie. Künftig aber sollten die Gewinne, die nicht wieder ins Unternehmen investiert werden, als Dividende der neu gegründeten gemeinnützigen Organisation »Holdfast Collective« zugutekommen – schätzungsweise 100 Millionen Dollar pro Jahr. »Die Erde ist ab sofort unsere einzige Anteilseignerin. Wir sind überzeugt: Wir können unseren Planeten retten, wenn wir uns dazu verpflichten«, begründete der 84-Jährige diesen Schritt.

Seit jeher ungewöhnlich

Es war nicht die erste Aktion, mit der Chouinard Kunden, Mitarbeiter, ja die ganze Wirtschaftswelt verblüffte. Viele Entscheidungen, die er im Laufe der Jahrzehnte getroffen und umgesetzt hatte, waren das glatte Gegenteil dessen, was in betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern zu lesen ist. Eines von vielen Beispielen stammt noch aus der Zeit vor Patagonia: Als Chouinard merkte, dass seine Hartstahlhaken – das zu dieser Zeit einzige Produkt seines ersten Unternehmens »Chouinard Equiment« – massive Schäden im Granit des El Capitan hinterließen, stellte er die Produktion kurzerhand ein und verlegte sich auf die damals völlig neuartigen Klemmkeile. Auch die bei Patagonia von Anfang an geltende »Let my people go surfing«-Regel, die es Mitarbeitern erlaubt, sich bei Neuschnee oder hohen Wellen auszutoben, war damals zumindest ungewöhnlich. Seinen von ihm selbst mit »Management durch Abwesenheit« beschriebenen Führungsstil findet man bei Unternehmenschefs ebenfalls eher selten vor. »Ein Unternehmen braucht jemanden,

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel