Bayerisch Kanada

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Im Graswangtal findet man sie noch: die viel gesuchte Einsamkeit. Und das, obwohl das Tal gut erreichbar ist. Seit 2017 ist es Teil des Naturparks Ammergauer Alpen.

Text: Franziska Baumann Als Oberammergauerin kennt Franziska Baumann das Graswangtal seit ihrer Kindheit. Trotzdem entdeckt sie dort immer wieder Unbekanntes.

Urwüchsige Landschaften wie im Kühalpenbachtal machen den Reiz vieler Touren rund um Graswang aus.
FOTO: FRANZISKA BAUMANN

Der Sturzflug kommt überraschend. Plötzlich legt einer der beiden Steinadler seine Flügel an und fällt wie ein Stein vom Himmel. Nur für Sekunden, dann steigt er mit ausgebreiteten Schwingen wieder nach oben. Girlandenflug nennen Vogelkundler diesen luftigen Tanz zur Balzzeit, ein wellenförmiges Auf und Ab, mit dem der Adler seine Dame beeindrucken will. Markus Gerum folgt mit dem Fernglas dem Greifvogelpärchen, das über dem Sonnenberggrat im Graswangtal seine Kreise zieht. »Einen Steinadler zu sehen, ist immer wieder etwas Wunderbares«, sagt der Naturführer aus dem Ammertal, der sich seit Jahrzehnten mit der heimischen Vogelwelt beschäftigt. Jedes Mal fasziniert es ihn aufs Neue, wie wendig sich ein Adler mit seiner Flügelspannweite von mehr als zwei Metern durch die Luft bewegt. Das Graswangtal im Ammergebirge ist für den passionierten Vogelexperten einer der besten Standorte, um die Alderbalz zu beobachten: »Die Ammergauer Alpen haben vermutlich die größte Steinadlerdichte Deutschlands.« Acht Paare haben dort ihren Lebensraum, Grenzgänger aus Tirol mitgezählt. Ein Adler braucht Platz – rund 30 Quadratkilometer groß ist sein Revier – und wenig erschlossene Bergregionen für das Wild, das auf dem Speiseplan steht. Lebensbedingungen, die das Ammergebirge erfüllen kann.

Neue Perspektiven

Der Blick über das Tal zwischen Kreuz- und Klammspitze eröffnet ein Panorama, das man eher in den kanadischen Rocky Mountains als am nördlichen Rand der Bayerischen Alpen vermuten würde. Nichts als Wald, der sich weit die Berghänge hinaufzieht. Das 230-Seelen-Dörfchen Graswang ist die einzige Ortschaft. Eine Straße führt durch den Taleinschnitt zum Schloss König Ludwigs II. in Linderhof und weiter nach Tirol. Touristische Erschließungen gibt es sonst kaum. Wanderer finden hier noch ruhige Gipfel, die nur wenige kennen, kleine Pfade durch urwüchsige Bergwälder und romantische Bachschluchten, die zum Gumpenbaden einladen. Gratwanderungen sind eine Spezialität des Ammergebirges. Da balanciert der Pfad über die Schneide der Hochplatte, wird am Kamm des Kienjochs vom dunkelgrünen Latschendickicht verschluckt, umgeht die Felskö

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