Großes Kino

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Im Gesäuse wurde Klettergeschichte geschrieben und die Natur darf dort wieder zu Urwald werden – fünf Tage durch den Nationalpark.

Text: Franziska Baumann

Fantastischer Logenplatz über der Ennstaler Hütte: am Tamischbachturm mit Blick auf Ennstal und Gesäuseberge.
FOTO: TVB GESÄUSE/STEFAN LEITNER

Für einen Blick in den Himmel muss Alexander Romich seinen Kopf in den Nacken legen. Vor seiner Hütte türmt sich der Fels. Viel Fels – an die 1000 Meter streben Pfeiler, Platten und Grate aus dem Haindlkar in den Himmel. Die Nordwände der Hochtorgruppe sind das Schaustück des Gesäuse und das erster Überraschungsmoment auf einer Hüttentour durch Österreichs jüngsten Nationalpark. Fünf Tage unter himmelhohen Wänden, durch verwunschene Wälder, auf familiären Hütten, fünf Tage auf Tuchfühlung mit diesem kleinen steirischen Gebirge.

Das Gesäuse hat es in sich. Das wird gleich auf den ersten Höhenmetern ins Haindlkar klar. Der Weg durch den Gsenggraben ist steil, der Schotter unter den Füßen wie ein Kugellager. »Unversaut und schweißtreibend«, so beschreibt Andi Hollinger sein Heimatgebirge. Seit seiner Jugend sind dem Kletterer, Fotografen und Mitarbeiter beim Nationalpark die Wände vertraut. Seine Hausberge sind ein bisschen ab vom Schuss, links liegen gelassen von manch touristischer Entwicklung, ein Glücksfall für Liebhaber stiller Bergwinkel und Pfade abseits des Mainstreams. Es gab eine Zeit, da war das Gesäuse en vogue. Ab 1872 brachte eine direkte Bahnverbindung Wiener Bergsteiger und Touristen an den Fuß der Felsberge. Gstatterboden im Herzen des Gesäuse war damals ein angesagter Fremdenverkehrsort. Namhafte Alpinisten versuchten sich an den großen Wänden.

Auf der Terrasse der Haindlkarhütte ist es still geworden, so als würde jeder für eine Weile den Atem anhalten. Alle Augen blicken gebannt in eine Richtung – wie in einem Kinosaal. Die Leinwand sind die glatten Felsfluchten, wo das Farbenspiel der untergehenden Sonne ein sich ständig wandelndes Gemälde schafft.

Auf der Sonnenseite

Die grimmigen Nordwände im Rücken geht es ins eng eingeschnittene Tal der Enns hinunter. Das Rauschen und Sausen des Flusses gab dem Gesäuse seinen Namen. Sein smaragdgrün schimmerndes Wasser kommt wie gerufen. Zeit für eine kurze Kneippkur, bevor der Steig sich wieder 1000 Höhenmeter hinaufschraubt. 21 flache Kehren sind das Finale des Anstiegs zum Buchsteinhaus, ein meditatives Hin und Her, das auf der sonnigen Hüttenterrasse unter den Südwänden des Großen Buchstein endet. Sie scheint förmlich über dem Ennstal zu schweben. Die schwungvolle Schrift auf

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