Die Ungezähmte

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Der Weitwanderweg »Iseltrail« führt entlang der Isel, einem der letzten frei fließenden Flüsse der Alpen, von Lienz hinauf ins Gletschereis.

Text: Christiane Flechtner

Die Katarakte von Feld sind die erste größere Gefällestufe und Vorboten der kraftvollen Isel im Oberlauf.
FOTO: TVB OSTTIROL/RAMONA WALDNER

Sie ist schon seit Tausenden von Jahren da und hat die Landschaft mit Schluchten, Felsen und glatten Sandbänken geprägt. Die Isel, der letzte frei fließende Gletscherfluss Österreichs, wird aus der Gletscherzunge am Umbalkees geboren – inmitten einer arktischen Landschaft im Nationalpark Hohe Tauern. Dem Gipfel der majestätischen Rötspitze ganz nah, bricht sie noch leise und als kleines Bächlein unter dem Gletscher hervor. Doch schon bald bahnt sie sich brodelnd, zischend und mit unbändiger Kraft ihren Weg hinab ins Tal und übertönt bald alles durch ihr konstant lautes Rauschen.

Ein Fels in der Dolomitenstadt Lienz ist Startpunkt des rund 70 Kilometer langen Trails, der 2020 eingeweiht wurde und über fünf Etappen geht. Der steinige Koloss befindet sich auf einer Landzunge – von rechts fließt die Drau aus dem Pustertal in Südtirol gen Osten, von links kommt das Wasser der Isel. Sie vereinen sich dort zu einem großen Fluss. Hier verliert die Isel ihren Namen, denn fortan fließt sie als Drau weiter in Richtung Schwarzes Meer.

Das Ende der Isel ist also der Anfang des Trails. Von hier weisen die gelben Schilder den Weg. Schritt für Schritt geht es nun immer weiter hinauf zu dessen Ursprung. Fünf Tage sind plötzlich ein ganzes Leben, das Leben des Flusses. Die kleinen Wassertropfen, die aus dem Gletscher geboren wurden, haben sich hier – 2000 Meter tiefer und 70 Kilometer weiter flussabwärts – zu einem breiten Fluss formiert.

Die erste Etappe führt gemütlich rund 17 Kilometer die Isel entlang – durch die Sonnenstadt Lienz. Noch ein kurzer Blick auf das Schloss Bruck – dann ist die Stadt verschwunden. Nicht nur in der alpinen Abgeschiedenheit am Gletscher, sondern auch in der besiedelten Kulturlandschaft hat die Isel allen Eingriffen der modernen Welt standgehalten. Ihr Flussbett ist hier breit und durchzogen mit kleinen Inseln. Hier konnten sich Lebensräume entwickeln, die anderswo in Europa längst verschwunden sind. Fischotter und die als Huchen bekannten Donaulachse haben im Iselwasser ein Zuhause gefunden, und auch die seltene Deutsche Tamariske wächst an vielen Stellen und taucht mit ihren Blüten die Ufer in ein Zartrosa. Der so genannte »Katzensteig« bietet idyllische Aussichten auf die friedlich dahinfließende Isel. Ein paar Kilomet

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