Die großeVernebe lung

11 min lesen

Täuschen, tricksen, stinken: Der Diesel-Skandal aus den 2010er-Jahren war das Resultat von fragwürdigen Praktiken der Automobilhersteller. Aber möglich wurde er erst durch die stillschweigende Billigung seitens deutscher Behörden. Vor seiner Aufdeckung lag eine lange Geschichte von Wegschauen und Wegducken. Wir erzählen sie hier.

Text: Johannes Köbler

September 2006

Im Jahr 2006 gilt die Abgasnorm Euro 4 mit einem Grenzwert von 250 Milligramm Stickoxiden (NOx) pro Kilometer. Gemessen wird auf dem Prüfstand nach dem NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) mit seinen niedrigen Anforderungen. Die Euro 5 mit 180 mg/km ist noch drei Jahre von der Einführung entfernt, und die Euro 6 mit ihren 80 mg wirft schon ihre Schatten voraus. Bei der EU-Kommission feilt eine Expertengruppe an den Feinheiten beider Normen. Sie besteht aus Wissenschaftlern und Vertretern der Industrie sowie ihren Dienstleistern.

Die Euro 5 erfordert eine gekühlte Hochdruck-Abgasrückführung (AGR), einen Oxidationskatalysator und – neu für die deutschen Hersteller – einen Dieselpartikelfilter (DPF). Für die Euro 6 hingegen wird man SCR-Kats brauchen, die Stickoxide per Harnstoffeinspritzung in Wasser und unschädlichen Stickstoff umwandeln. Auch Bosch arbeitet intensiv an diesem Thema. Unterlagen zufolge, die der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vorliegen, treffen sich am 14. September 2006 Bosch-Ingenieure mit Kollegen von Audi, BMW, Daimler und VW, um über Funktionen der SCR-Technik zu sprechen. „Die vorgeschlagene Funktion ist eine abgestimmte Basis“, heißt es in dem Papier zu einem Punkt.

Juni 2007

Im EU-Amtsblatt L 171/6 werden die künftigen Euro-5- und Euro-6-Limits veröffentlicht. In Kapitel II, Artikel 5, Punkt 1, heißt es: „Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass (...) das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung (...) entspricht.“ Punkt 2, direkt darunter, schlüsselt auf: „Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn (...) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.“

Diese Formulierungen legen zwei Schlüsse nahe. Erstens: Die EU-Behörden ahnen zumindest, dass die Motoren ohne zeitweilige Abschaltung Schaden nehmen können. Zweitens: Sie eröffnen den Herstellern ein Schlupf loch, das diese nur zu gern nutzen. Unter Verweis auf den Bauteilschutz verbreiten sich die Abschalteinricht

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel