ALLES MIT RÖHREN

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Prima Luna überlässt in seinem Phonoverstärker Evo 100 Phono alles den Glaskolben. Sogar Nutzspannungsaufbereitung und MC-Vorverstärkung. Kann das gut gehen?

■ Von Lothar Brandt

Da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich. Der Autor jedenfalls staunte und wunderte sich sehr, als er des Prima Luna Evo 100 Phono erstmals ansichtig wurde. Ein reiner Phonovorverstärker, der es offenbar mit den zarten Signalen eines Moving-Magnet-(MM)-Tonabnehmers und den noch zarteren eines Moving-Coil-(MC)-
Systems aufnimmt und diese ausschließlich auf Hochpegelniveau verstärkt. Somit keine weiteren Amtshandlungen wie Weiterverstärkung oder Lautstärkeregelung vornimmt. Eine klassische Phonostufe also, bestimmt für den Anschluss an einen Line-Eingang eines Vor- oder Vollverstärkers. Dafür und zum stolzen Preis von 3490 Euro bestückt mit acht deutlich sichtbaren Röhren und zwei weiteren, die man aber erst nach Abschrauben einer Abdeckplatte auf der Rückseite entdeckt.

Lösen wir das Rätsel der Reihe nach. Und die beginnt wie bei jedem Verstärker mit der Netzspannung, die in für die aktiven Bauteile brauchbare Nutzspannung umgewandelt werden muss. Der Netztransformator setzt die Wechselspannung von 230 Volt erstmal um. Weil normalerweise jede Röhre und jeder Transistor Gleichspannung braucht, disziplinieren Gleichrichter, englisch Rectifier, die mit 50 oder 60 Hertz vibrierende Wechselspannung (AC) in ruhige Gleichspannung (DC). Das machen meist Dioden, im Prima Luna Evo 100 Phono besorgen das Röhren. Die beiden 5AR4 (entsprechen GZ34 und CV1377) auf dem Tableau sind dafür zuständig, je eine für jeden Kanal. Im Grunde ein alter Hut, die meisten – guten – Gitarrenverstärker der 1960er- und 1970er-Jahre nutzten Röhren auch zur Gleichrichtung. Im HiFi der 2020er-Jahre darf das aber schon als ziemlich exotisch gelten.

VEREINT GEGEN DEN NOISE

Noch eigenwilliger muten da noch die beiden als Endstufen-Leistungsröhren bekannten EL34 an, oder besser: ihre Funktion. Denn die Prima-Luna-Masterminds Herman van den Dungen und Jan de Groot nutzen die Pentoden zur Stabilisierung der Versorgungsspannungen. Ein cleverer Schachzug, nach des Autors Kenntnis einzigartig am Markt. Im Verbund mit einer ganzen Batterie von Kondensatoren im Netzteil, die glätten und speichern, sowie den glimmenden Gleichrichtern ergibt das theoretisch eine extrem saubere, stabile Versorgung der für die eigentliche Verstärkung zuständigen Röhren. Unabdingbar, wenn die wiederum ihren Job ohne viel Rauschen und Brummen erledigen sollen.

Womit wir zu den beiden Doppeltrioden kommen, die sozusagen unter Verschluss (siehe