Vertraute Stimmen in der Fremde

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DAS WAHRE LEBEN

Wer neu in ein Land kommt, muss die Sprache und die Regeln des Zusammenlebens erstmal lernen. Susan Al-Salihi und ihr Team helfen tatkräftig dabei

28 neue Stadtmütter werden in Lübeck jedes Jahr ausgebildet. Sie können in vielen Sprachen ihre Hilfe für Frauen und Kinder anbieten

Welcher Antrag bei deutschen Behörden ist der schwierigste? „O je, so wollen wir unser Gespräch anfangen!?“, lacht Susan Al-Salihi (45) und denkt einen Moment nach. „Es gibt nichts Kompliziertes, wenn man die Sprache beherrscht. Wenn man sie nicht gut beherrscht, ist alles kompliziert“, sagt sie dann. Ihr größter Wunsch an die Behörden: „Bitte schreibt in einfacher Sprache, bitte, bitte, bitte.“ Damit auch die verstanden werden kann, wünscht sich die Koordinatorin der Lübecker Stadtmütter mehr Sprachkurse. „Die Menschen warten monate- oder jahrelang auf einen Platz im Sprachkurs. Es gibt so viele, die Deutsch lernen wollen, aber viel zu wenig Plätze“.

Mit Behördenanträgen kennt Susan sich aus. Stadtmütter kümmern sich um andere Frauen und Familien, die als Fremde gekommen sind und sich nun in Lübeck zurechtfinden müssen. Wie können sie Deutsch lernen, gleichzeitig ihre Kinder versorgen und zur Schule schicken? Was muss man wissen, um das neue Land zu verstehen?

Stadtmütter helfen auch beim Kontakt mit Ämtern. „Wir docken bei den Familien an, schauen, was sie brauchen, und helfen ihnen“, sagt Susan. Stadtmütter sind einst selbst als Fremde gekommen, aus Armenien oder Russland, Eritrea oder, wie Susan, aus dem Irak.

Aufgewachsen ist sie in Bagdad. „Mein Vater war sehr offen und demokratisch.“ Auch seine Tochter sollte eine gute Ausbildung und ihr Auskommen haben, sie wurde Dolmetscherin für Arabisch und Englisch. Während des Irak-Kriegs 2003 arbeitete sie dort für das Rote Kreuz.

Sie heiratete, bekam zwei Töchter und das Ehepaar bewarb sich um einen Job im Ausland. „Ich setze mich für Frauenrechte ein. Das ist nicht einfach im Nahen Osten. Meine beiden Töchter sollten in einer frauenfreundlicheren Gesellschaft aufwachsen.“

Susan Al-Salihi (45) koordiniert die wichtige Arbeit der Stadtmütter. Sie wünscht sich, dass auch andere Städte solche Projekte starten können
FOTOS: PETER VAN HESSEN

Seit 2010 sind sie nun schon in Lübeck. „Die beiden sind heute 18 und 16 und selbstbewusste junge

Frauen geworden“, sagt Susan zufrieden. Sie selbst hat neben ihrer Arbeit als Arabisch-Lehrerin immer auch noch ehrenamtlich gearbeitet. Zum Beispiel im Lübecker Stadtteil Hudekamp, wo viele nicht in Deutschland geboren wurden, aber sich jetzt hier ein Leben aufbauen.

Susan erinnert sich: „Mein Mann half mir, damit ich arbeiten konnte. Er übernahm viel von der Kinderbetreuung, sonst hätte ich das nicht geschafft.“ 2016 bewarb s