Unausgeschöpfter Talentepool

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FRAUEN IM COCKPIT

Aufgrund des weltweit prognostizierten Pilotenmangels kann es sich die Luftfahrtbranche in Zukunft gar nicht mehr leisten, auf Verkehrsflugzeugführerinnen zu verzichten

Bei Emirates liegt der Frauenanteil im Cockpit aktuell noch im einstelligen Bereich
Foto: Emirates

Zweifellos gibt es nur wenige Berufe weltweit, in denen der Frauenanteil geringer ist als unter Verkehrsflugzeugführern. Nur 5,8 Prozent der zum Einsatz kommenden kommerziellen Piloten sind laut der International Society of Women Airline Pilots weiblich. In Deutschland beträgt der Anteil 6,9 Prozent. An der Spitze des globalen Rankings thronen Indien mit 12,4 Prozent und Irland mit fast zehn Prozent, was besonders von Air India (12,7 Prozent) und Aer Lingus (9,9 Prozent) vorangetrieben wird.

Die Fluggesellschaften der Lufthansa-Gruppe kommen zusammengerechnet auf einen Frauenanteil von 6,9 Prozent – 9,6 Prozent aller First Officer, 8,9 Prozent aller Senior First Officer und vier Prozent aller Kapitäne sind weiblich. 2017 waren es insgesamt noch 6,1 Prozent. Ferienflieger Condor meldet einen Anteil von aktuell acht Prozent.

Zugegeben: Die Tendenz ist steigend – wenn auch langsam. Das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern dürfte noch Jahrzehnte Bestand haben. Die Frage nach dem Warum ist deshalb nur konsequent, und ihr folgt zunächst einmal ein Exkurs in die Geschichte der Luftfahrt. Seit jeher gilt das Fliegen als typisch männliches Projekt. Ob Otto Lilienthal, die Brüder Wright oder Charles Lindbergh: Frauen hatten es schwer, in die männliche Phalanx der oftmals zu Helden verklärten Pioniere einzudringen, denn die Geschlechterrollen waren Anfang des 20. Jahrhunderts klar definiert. Mehr noch: Im April 1924 verständigte sich die International Commission for Aviation darauf, dass „Frauen von jeglicher Tätigkeit als Besatzungsmitglied eines im öffentlichen Transportwesen eingesetzten Flugzeugs ausgeschlossen sind“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg standen arbeitslose Militärpiloten zu Tausenden auf der Straße, und die kommerzielle Luftfahrt war doch gerade erst wieder im Aufbau begriffen. Es bestand somit zunächst einmal gar keine Notwendigkeit, Pilotinnen einzustellen. Dazu kam eine gewisse Sturheit: Erst Mitte der achtziger Jahre musste die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa nach erfolgreicher Klage die ersten beiden Frauen zur Ausbildung zulassen. 1988 traten Evi Lausmann (später Hetzmannseder) und Nicola Lunemann (später Lisy) ihren Liniendienst beim Kranich an. Die Presse sprach von einer „kleinen Revolution“.

Zwei Frauen und 14 Männer: Im April startete der 22. Lehrgang an der AirBaltic Pilot Academy
Foto: AirBaltic

Heute, in Zeiten massiven Pilotenmangels, kann es sich die Branche hingegen gar nicht mehr leisten, auf Frauen im Cockpit zu verzichten. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman geht beispielsweise davon aus, dass bis 2