Ohne jede Verantwortung

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AUFPRALL AUF DEM WASSERZu den unumstößlichen Vorgaben gehören die Mindesthöhen, bei denen ein Landeanflug nach Instrumenten abgebrochen werden muss, wenn der Boden nicht in Sicht ist. Ein Pilot, der diese Regel bricht und nicht durchstartet, sondern weiter sinkt, handelt volllkommen verantwortungslos. Beim Flug einer ATR ging dieser unverzeihliche Fehler nur mit viel Glück gut aus

Jan-Arwed Richter

Erst zu hoch, dann viel zu tief: Ohne Zögern sanken die Piloten bis aufs Meer
Grafik: JACDEC

Die Routenstruktur der staatlichen Fluggesellschaft Marokkos, Royal Air Maroc, kurz RAM, besteht vornehmlich aus Mittelstrecken über 1000 Kilometern. Für die wenigen kürzeren Strecken wurden 1989 vier Turboprop-Twin vom Typ ATR 42 eingeflottet, die weniger aufkommensstarte Inlandsrouten bedienten. Die Ära der ATR 42 endete 2001, jedoch flammte acht Jahre später die Idee einer regionalen Tochter-Airline erneut auf.

So wurde Royal Air Maroc Express gegründet, die 2009 mit einem halben Dutzend ATR der längeren Variante 72 an den Start ging. Viele Piloten der RAM begannen ihre Fliegerkarriere auf der ATR, um Flugerfahrung zu sammeln und später auf den Boeings der Muttergesellschaft zu landen.

Das Altersgefälle im Cockpit an diesem 9. Juli 2018 hätte nicht größer sein können. Der Dienstplan für die ATR 72-600 der RAM Express mit dem Kennzeichen CN-COH brachte einen Flugveteran mit einem unerfahrenen Neuling zusammen, der vom Alter her sein Sohn hätte sein können.

Der 61 Jahre alte Kapitän hatte in seiner langjährigen Karriere alle Stationen bei RAM durchlaufen und war Trainingskapitän auf der ATR 72. Trotz seiner über 13 000 Flugstunden Gesamterfahrung war die ATR für ihn noch relativ neu. Erst 193 Stunden hatte er auf diesem Muster angesammelt. Auf dem rechten Sitz dagegen befand sich ein 25-jähriger Copilot, der erst ein Jahr zuvor seine Musterberechtigung auf der ATR 72 gemacht hatte. 816 seiner 1063 Stunden Flugerfahrung hatte er auf der ATR 72 gesammelt.

Es stand ein Flug mit jeweils zwei Landungen an: Von Casablanca ging es zunächst zur Küstenstadt Al Hoceïma am Mittelmeer, von dort nach Tanger, dann wieder zurück nach Al Hoceïma und schließlich der Rückflug zur Heimatbasis Casablanca. Beide Piloten waren für alle vier Flüge gemeinsam eingeteilt. Zusätzlich saß ein Pilotenanwärter auf dem Jumpseat, der im Rahmen seines Ausbildungsprogramms Cockpitabläufe und Verfahren erleben sollte.

Absprachegemäß flog der Kapitän die erste Strecke, danach sollt