Achtung Mode
4 September 2018
Wer ausgeht, macht sich schön, putzt sich heraus und wirft sich voller Vorfreude in Schale. Das fängt schon früh im Leben an. Mit allerersten Tanzschritten auf dem Parkett der Nacht. Großes Herzklopfen begleitet sie und abendlange Stunden vor dem Spiegel. Wie sehe ich am besten aus? Was steht mir und erregt die Blicke derer, denen ich gefallen will? In welchem Teil komme ich am Türsteher vorbei? Die Aufregung, die unsere frühen Lehr- und Wanderjahre in den Klubs der Welt begleitet, legt sich im Lauf des Lebens etwas, aber eines bleibt: Die Euphorie, besonders hell zu scheinen, wenn das letzte Tageslicht erlischt und uns verheißungsvoll ein Ausgehabend ruft, der Glück verspricht. Die Mode ist die Macht der Nacht und strahlt in keinem anderen Zusammenhang so sehr wie da, wo sie, weil es so laut ist, dass sich keiner mehr vernünftig unterhalten kann, selbst zu der Sprache wird, in der wir mit den anderen kommunizieren. Weil das, was wir beim Tanzengehen anhaben, dem Gegenüber freudvoll zeigt, was für uns Schönheit in der Mode ist, haben wir diese Ausgabe von Achtung Mode der Klubkultur gewidmet. Und eine unserer größten Strecken dort fotografiert, wo sie gerade zum ersten Mal museal kuriert gefeiert wird, im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Noch dazu hat unser Art Director Anton Ioukhnovets dem Layout dieser Ausgabe ein erfrischendes Rebrush geschenkt, in der die kurzen Überschriften besonders prägnant zur Geltung kommen. Wir haben auch sie dem Thema unserer Ausgabe ästhetisch angepasst: allesamt wortkarge Codes, wie man sie sich im akustischen Malstrom unter den Stroboskopgewittern eines Musiktempels bei über 160 beats per minute gerade noch zurufen kann. Aber auch die Bildersprache von Achtung Mode erfährt mit diesem Heft eine Entgrenzung: mit neuen Fotografinnen und Fotografen wie Jelka von Langen, Benedikt Frank und Christian Werner. Weil das Nachtleben ohne DJs undenkbar ist, haben wir die Herrenmode der kommenden Saison an einem ihrer Helden fotografiert: Fetisch, Mann der ersten Stunde auch innerhalb der Achtung-Familie und einer jener immer seltener werdenden Zeitzeugen, der in seinen Anfängen noch mit dem späten Andy Warhol in New York unterwegs war und bis heute die Tanzmusik unserer Zeit maßgeblich mitprägt. Wer sich in Berlin mit raren Vintage-Stücken zum Ausgehen einkleiden will, wird auf die Stylistin und Mode-Kuratorin Shoko Kawaida und ihr Geschäft Townes setzen, um vom exzellenten Geschmack der Japanerin zu profitieren. Kawaida lebt mit Fetisch und ihrem gemeinsamen Sohn Cosmo zusammen und zieht gerade mit Townes in eine Ladenetage nach Schöneberg um, in deren Fluchten wir ihre Lieblingskollektion des Jahres fotografieren durften: Louis Vuitton. Womit wir bei der sicherlich aufregendsten Neuigkeit in diesem Heft wären: dem Model, das uns die bestürzend eleganten Entwürfe von Nicolas Ghesquière vorführt und auch unser Titelbild ziert: Cosima Fritz. Wir sind uns ziemlich sicher, dass sich mit ihrer Karriere nicht nur das Frauenbild in eine neue Richtung entwickeln wird, sondern auch noch mehr Ausgehtouristen unser Land besuchen. Das wird zwar nach wie vor an dem akuten Nachtfieber liegen, das sie in den Klubs hier befällt. Von nun an aber auch an der Hoffnung, dass ja vielleicht alle deutschen Mädchen so sinnlich, selbstbewusst, romantisch und schön sind wie Cosima.
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