MORD IST IHR HOBBY

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True-Crime-Geschichten liegen im Trend, und fast alle Konsument*innen sind: weiblich. Auch unsere Autorin kann von Storys über Serienmörder und Gewaltäter nicht genug bekommen und fragt sich: Was bitte sagt das über mich aus?

TEXT: SINAH HOFFMANN

NETFLIX AND THRILL Mit 196,2 Millionen Stunden Streaming in der ersten Woche ist die Miniserie „Monster“ über den Serienmörder Jeffrey Dahmer der meistgesehene Starter in der Netflix-Geschichte
FOTO: YAROSLAV DANYLCHENKO/STOCKSY

Während eine junge Frau spurlos auf dem Rückweg ihrer Nachtschicht verschwindet und die Kripo einen kürzlich aus dem Knast entlassenen Serienvergewaltiger verdächtigt, liege ich in der Badewanne, nippe an einem Glas Weißwein und wasche mir seelenruhig den Stress der vergangenen Woche von der Haut. Mich von True-Crime-Podcasts berieseln zu lassen oder Dokus über reale Mörder wie Jeffrey Dahmer und ihre grausamen Taten zu bingen, ist seit Jahren ein geliebtes Sonntagsritual. Warum mich echte Verbrechen so faszinieren, kann ich nicht genau erklären. Was ich aber weiß: Mit meiner Vorliebe für Nervenkitzel und exzessive Gewalt stehe ich nicht allein da. Seit Jahren erleben True-Crime-Formate einen Boom. Allein 2022 erschienen 120 neue Podcasts dieser Art auf Spotify und iTunes. Und auf Netflix führen wahre Verbrechen regelmäßig die Streaming-Charts an. Dabei scheint das grausame Genre besonders Frauen zu fesseln. Zu diesem Schluss kam unter anderem eine groß angelegte Studie des Vermarkters Seven One Audio: Demnach sind unfassbare 93 Prozent der Hörer*innen von True-Crime-Podcasts weiblich, ein Großteil davon zwischen 20 und 29 Jahren alt.

Vom Trauma zu True Crime?

Auch wenn ich mit meinem blutigen Faible offensichtlich zum Mainstream gehöre, frage ich mich immer öfter, wie emotional gesund und moralisch korrekt mein Verbrechens-Konsum wirklich ist. Denn: Glaubt man der amerikanischen Psychologin Dr. Thema Bryant, dann ist die Lust am Leid kein unbedenkliches Vergnügen, sondern eine major Red Flag. Sie warnt: Wer sich bei grausigen Verbrechen entspannen könne, leide womöglich selbst an einem Trauma. Plus: Zum Kern von True-Crime-Geschichten gehört eben auch, dass es sich um echte Opfer handelt, um die Freunde und Familie ganz real trauern. Perspektivwechsel also: Wie würde ich mich wohl fühlen, wenn sich Millionen Menschen von meinem Schmerz entertainen lassen? Bin ich vielleicht selbst etwas kaputt im Kopf, weil ich genau das tue?

Antworten darauf finde ich bei Franca Cerutti. Die Psychotherapeutin und Podcast-Host von „Psychologie to go“ beschäftigt sich in ihrem Arbeitsalltag immer häufiger mit der Fra

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