„Wir ruhen uns auf den Erfolgen der Vergangenheit aus und strengen uns zu wenig an“

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POLITIK-INTERVIEW

Das kritisiert der ehemalige sächsische Ministerpräsident, Prof. Dr. Georg Milbradt, CDU, im Interview mit SuperIllu. Was er fordert und was er zum Umgang mit der AfD empfiehlt

Herr Professor Milbradt, in Sachsen sind im September Landtagswahlen. Als sie 2002 Ministerpräsident von Sachsen wurden, hatte dort die CDU eine absolute Mehrheit. Heute ist laut Umfragen die AfD die stärkste Partei, mit aktuell 34 Prozent …

Da könnte ich mir natürlich schönere Wahlprognosen vorstellen. Ich darf hier aber auch daran erinnern, dass wir damals nur noch die PDS mit über 20 Prozent und die SPD mit 10 Prozent im Landtag hatten. 2004 kam dann die NPD erstmals mit neun Prozent ins Parlament. Dass mit der AfD nun eine ähnliche Partei sogar über 30 Prozent erringen könnte, ist eine besondere politische Herausforderung für die klassischen Parteien. Wir leben in Zeiten großer Veränderung. Dann gibt es immer Gruppen, die Horrorszenarien an die Wand malen und einfache Antworten auf schwierige Probleme versprechen.

Was würden Sie zum Umgang mit der AfD empfehlen?

Viele, die solche Extremisten und Populisten wählen, tun das nicht in der Hoffnung, dass diese an die Regierung kommen und die Probleme lösen. Sondern sie wollen die Regierenden auffordern, sich mehr um die Sorgen der Bevölkerung zu kümmern. So ist das zum Teil auch mit der AfD. Die Bürger haben Sorgen. Ob diese nun berechtigt oder unberechtigt sind - die Politik muss auf Fragen der Bürger antworten, Lösungen anbieten und diese auch glaubwürdig umsetzen. Man muss sich der Diskussion mit der AfD stellen und nicht nur argumentieren, sie sei rechtsradikal. Es ist ja nicht so, dass die AfD die besseren Konzepte hat. Aber sie lebt davon, dass die anderen Parteien auf Fragen der Bürger nicht eingehen oder die Fragestellung als moralisch unzulässig zurückwiesen, und dann keine Antwort geben und vor allem keine glaubwürdige Lösung anbieten. Das muss sich ändern!

Eine Krise jagt die nächste, die Stimmung ist im Keller. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck meint, das Geschäftsmodell Deutschland funktioniere nicht mehr …

Zumindest sind Wohlstand und wirtschaftlicher Erfolg in Gefahr. Vor allem der Industriebereich, unsere Kernkompetenz, lahmt seit 2018. Das hat zum einen natürlich auch mit dem Erfolg der anderen zu tun; sie werden besser und wir bleiben stehen. Die gestiegenen Energiepreise, Corona, Russlands Krieg in der Ukraine, das alles hat natürlich auch dazu beigetragen – aber auch, dass wir uns zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen und zu wenig anstrengen. Die Anspruchshaltung an den Sozialstaat ist hoch, z. B. bei der Rente. Aber die Bereitschaft, etwas für den Staat zu tun, wurde geringer. Viele träumen von einem „Nanny-State“, einem Kindermädchenstaat, der sich um alles

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