„DIE HALTUNG DES WESTENS VERSTÖRT VIELE IM OSTEN“

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Im Interview mit SuperIllu zeigt sich Jessy Wellmer besorgt über die Entwicklung in Deutschland, appelliert an die Bundesregierung – und erzählt von Vorbehalten ihr gegenüber

Seit dem 30.10.2023 moderiert Jessy Wellmer die „Tagesthemen“ in der ARD; trat damit die Nachfolge von Caren Miosga an, die ihrerseits Anne Will als Polit-Talkerin beerbte

„Die neue Entfremdung“ – Frau Wellmer, Sie haben da offenbar eine Art Lebensthema für sich entdeckt, oder?

Ja, obwohl ich nur neun Jahre und damit einen kleinen Teil meines Lebens in der DDR verbracht habe. Lang war das auch gar kein Thema für mich. Ich bin nach dem Abitur nach Berlin gegangen, habe mal im Osten, mal im Westen gelebt. Dann verschlug es mich wegen der „Sportschau“ nach Köln, schließlich in Sachen „Tagesthemen“ nach Hamburg. Eigentlich könnten mir Ost-West-Fragen also egal sein … Aber ich glaube, dass da immer noch oder wieder Gesprächsbedarf besteht. Wenn wir nicht miteinander reden –und das über die Generationsgrenzen und unsere Meinungsblasen hinweg –, dann setzt sich da was fest, was nicht gut ist. Im Westen haben viele den Osten abgeschrieben, im Osten ist Bitterkeit weit verbreitet. Wir dürfen nicht verstummen. Und ich selber will auch wissen, was da eigentlich los ist, was in den vergangenen drei Jahrzehnten schief gegangen ist. Deswegen bin ich auf Spurensuche gegangen. Ich glaube einfach, es bedarf im Westen eines anderen Blicks auf die Leute im Osten und ihre Geschichte. Man muss um den Tisch herumgehen und sich mal in deren Position begeben. Ich versuche, da eine Art Vermittlerin, Schlichterin zu sein – gerade in diesen Zeiten der Dauerempörung. Vielleicht ist mein Ansatz total langweilig oder kontraproduktiv, aber ich kann nicht anders.

Gab es ein Erweckungserlebnis?

Das war die Auseinandersetzung um den Angriff Russlands auf die Ukraine. Da gab es plötzlich ungemeinen Redebedarf, allein schon innerhalb meiner Familie. Und ich fragte mich, was die Diskussionen auch mit diesem „Ost-West-Ding“ zu tun haben. Natürlich: Auch andere Krisen wie beispielsweise die Corona-Pandemie haben im Osten etwas ausgelöst, aber der Ukrainekrieg im Besonderen: Die Haltung des Westens, da auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, verstört viele im Osten. Das kommt da an, als ob die Westdeutschen sagen, wir wissen es besser, und bestimmen im Zweifelsfall über deinen Kopf hinweg. Viele im Osten fühlen sich da plötzlich an die Zeit nach dem Mauerfall erinnert. Sie bekamen damals nicht nur suggeriert, sondern auch ganz klar gesagt, sie hätten die ganze Zeit ein falsches Leben im falschen System geführt. Da sehe ich einen direkten Zusammenhang, den man nicht unterschätzen darf.

Von 2014 bis 2023 präsentierte sie di

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