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DER ERHALT DER SELTENEN SCHREIKRANICHE IST EINER DER GRÖSSTEN NATURSCHUTZERFOLGE DER USA. UNSER TEAM BEGLEITETE DEN JUNGVOGEL 15J AUF SEINER GEFAHRVOLLEN ERSTEN HERBSTWANDERUNG IN DEN SÜDEN.

Text RENE EBERSOLE Fotos MICHAEL FORSBERG

Schreikraniche landen in einem Feuchtgebiet im Rainwater Basin, Nebraska, um dort die Nacht zu verbringen.

einem internationalen Forscherteam über die ausgedehnten borealen Wälder des Wood-Buffalo-Nationalparks in Kanada. Plötzlich ein Ruf: „Vogel auf neun Uhr!“ Pilot Paul Spring dreht eine Linksschleife und neigt den Hubschrauber, um eine bessere Sicht auf einen der zahllosen Wassertümpel zu erhalten, die sich bis zum Horizont erstrecken.

„Da ist ein Küken“, ruft John Conkin, Wildtierbiologe am kanadischen Umweltministerium ECCC. Er richtet sein Fernglas auf einen rostbraunen Vogel, der durch das Sumpfland stelzt. Spring setzt zur Landung an. Hastig drängen Conkin, sein Kollege Mark Bidwell, gleichfalls Biologe am ECCC, und die anderen Kranichfänger aus dem Helikopter – Biologe Dave Brandt vom U.S. Geological Survey und die kanadische Wildtierärztin Sandie Black.

Ihnen bleiben nur zwölf Minuten, um das scheue Zielobjekt aufzuspüren: ein wildes Schreikranichküken, wie geschaffen für das Durchqueren von tiefem Schlamm, Dornengestrüpp und Riedgräserdickicht. Dauerte es länger, würde das Team die Jagd abblasen müssen, um den Vogel keinem übermäßigen Stress auszusetzen.

Während die Forscher im Gestrüpp verschwinden, heben Spring und ich mit dem Hubschrauber wieder ab, um das Team aus der Luft zu unterstützen. Als die Kranicheltern die sich nähernden Menschen wahrnehmen, schlagen sie ein paar Mal mit ihren riesigen Flügeln und verschwinden. Den flugunfähigen Nachwuchs lassen sie zurück, wenn auch sicher widerstrebend. „Ich habe das Junge im Blick“, teilt Spring der Gruppe auf dem Boden per Sprechfunk mit. „Es ist direkt unter dem Helikopter. Bewegt euch in unsere Richtung.“

Die Wissenschaftler preschen durchs Dickicht und versuchen, schneller voranzukommen, als das sumpfige Terrain eigentlich erlaubt. Routiniert nähert sich John Conkin dem jungen Kranich, bekommt Schnabel, Kopf und Beine zu fassen und klemmt ihn sich vorsichtig unter den Arm. Sechs Minuten, 36 Sekunden: Vogel geschnappt. Es folgt der technische Teil. Verschwitzt und außer Atem packt das Team seine Ausrüstung aus. Der erfahrene Biologe Brandt, der in seinem Berufsleben schon mindestens 150 wilde Schreikraniche beringt hat, hält den Jungvogel auf seinem Schoß und

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