ANNE BOLEYN

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Nach der Hinrichtung von König Heinrichs VIII. zweiter Ehefrau verschwanden viele ihrer Besitztümer. Ihr Stundenbuch tauchte wieder auf. Eine Forscherin lüftet seine Geheimnisse.

Text LESLIE PATRICK

Das ERBE der

Anne Boleyn, hier ein Porträt aus dem späten 16. Jahrhundert, war die zweite Ehefrau von Heinrich VIII. Sie wurde wegen angeblichen Ehebruchs und Inzests hingerichtet.
FOTO: ROBERT ALEXANDER, GETTY IMAGES

NACH MEINUNG ihrer Ankläger war die Königin eine Verführerin und Ehebrecherin. Sie soll Inzest mit ihrem Bruder getrieben haben, so die (aus heutiger Sicht fragwürdigen) Beschuldigungen gegen sie. Ihr Ehemann, König Heinrich VIII., kannte keine Gnade: Im Mai 1536 starb Anne Boleyn auf dem Schafott. Heute würdigt man sie als hochintelligente, gebildete Frau, die sich leidenschaftlich für religiöse Fragen interessierte und an der Reform der englischen Kirche Anteil hatte. Anne starb nicht nur, auch ihre Spuren wurden getilgt. Man entfernte die Embleme der Königin aus den Palästen, ihre kostbaren Bücher verschwanden.

Allerdings tauchte ein um 1528 gedrucktes Stundenbuch wieder auf. Es enthält von Hand kolorierte Holzschnitte und Andachtstexte zur Lektüre im Tagesverlauf. Das Buch, jahrhundertelang verschollen, gelangte im frühen 20. Jahrhundert in den Besitz des amerikanischen Millionärs William Waldorf Astor, der auch Hever Castle gekauft hatte, den einstigen Familiensitz der Boleyns. Der Weg des Buches durch die Jahrhunderte schien aber nicht mehr nachvollziehbar – bis eine Studentin der Universität von Kent sich näher damit befasste.

DIE ERLEUCHTUNG

Im Jahr 2020 untersuchte Kate McCaffrey im Rahmen ihrer Masterarbeit das Stundenbuch der Königin. Dabei machte sie eine Entdeckung: „Ich bemerkte etwas, das mit bloßem Auge aussah wie Flecken“, erzählt McCaffrey. Neugierig geworden, lieh sie sich eine UV-Lampe für den professionellen Einsatz aus und stellte sie im dunkelsten Raum des Schlosses auf, um mithilfe der UV-Fluoreszenz-Methode eventuelle verblichene Schrift wieder sichtbar zu machen. Ihre Ahnung hatte sie nicht getäuscht. Unter dem UV-Licht entpuppten sich die vermeintlichen Flecken als seltener handschriftlicher Eintrag der Königin. An den Rand einer der schön verzierten Buchseiten schrieb sie ein gereimtes Couplet. Darunter setzte sie sogar ihre Unterschrift: „Remember me when you do pray, that hope doth lead from day to day, Anne Boleyn.“

„Die Worte tauchten einfach auf. Es war unglaublich, sie unter dem Licht zu sehen – sie w

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