Das Leben aus unterschiedlichen Perspektiven
NATASHA DALY
ES IST FRÜHLING IM BALKANGEBIRGE. Der bulgarische Fotograf Georgi Georgiev hat sein Objektiv auf etwas Winziges gerichtet: Eine gelbe Spinne lauert hinter einer gelben Blüte auf eine Mahlzeit. Die übereinstimmenden Farbtöne sind kein Zufall. Viele Krabbenspinnen (Thomisidae) passen sich ihrer Umgebung an, um aus der Tarnung Beute zu jagen.
Georgievs Fotos fangen das vielfältige Leben der Insekten ein: eine Ameise, die einen steilen Erdhügel erklimmt; einen Marienkäfer, der Wasser aus einem Tautropfen an einem langen Grashalm trinkt. „Je kleiner sie sind, desto interessanter ist ihre Welt für mich“, sagt Georgiev. Ständig fällt ihm etwas Neues auf, denn die meisten Insekten scheuen seine Kamera nicht, wenn sie sich paaren oder fressen. An feuchten Morgen benetzt Tau die Flügel der Schmetterlinge, was sie beschwert und Georgiev erlaubt, ganz nah heranzukommen.
„Man kann ihr Verhalten beobachten, wie sie fressen, sich fortpflanzen“, sagt er. Er hat beobachtet, wie sich Libellen bei der Paarung zu einem Herz formen; wie Ameisen im Team arbeiten und ihre Beute in Minutenschnelle zerlegen. „Ihre Welt ist so schön wie gefährlich. Es geht täglich ums Überleben.“
Insekten sind lebenswichtig für die Gesundheit unseres Planeten und ein entscheidendes Glied in der globalen Nahrungskette. Sie sorgen dafür, dass Nährstoffe im Boden zirkulieren, bestäuben Blumen und Obstkulturen und verbreiten Samen. Klimawandel, Pestizide und der Verlust von Lebensräumen bedrohen sie. Die Insektenpopulationen gehen stark zurück. Als studierter Ökologe weiß Georgiev genau, was auf dem Spiel steht. Aber wenn er die Schönheit der Insekten in ihrem Lebensraum fotografiert, sagt er, „dann träume ich. Das beruhigt mich und gibt mir Frieden.“
