Neuer Wind für alte Flügel

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WOHIN MIT WINDRÄDERN, DIE AUSGEMUSTERT WERDEN? EIN FINDIGER UNTERNEHMER FERTIGT DARAUS TERRASSENDIELEN, DIE IHRERSEITS WIEDER ZEHNMAL RECYCELT WERDEN KÖNNEN.

TEXT IRIS RÖLL

GENIAL GEDACHTE PROJEKTE (116)

FOTO INGMAR BJÖRN NOLTING

Wenn Holger Sasse mit seinen Schäferhunden auf den Feldern rund um Aschersleben spazieren geht, hat er die Zukunft der deutschen Energieversorgung vor Augen: einerseits Windräder, manchmal bis zum Horizont; andererseits Flügel alter Windkraftanlagen, die auf den Feldern zurückgelassen wurden. Nach etwa 20 Jahren werden Windräder in der Regel abgebaut. Ein Großteil des Materials kann heute recycelt werden – nur eben nicht die Rotorblätter. Um die 30 Meter lang ist so ein Flügel der jetzt ausgemusterten Generation, rund zehn Tonnen schwer und voller Kunstharze.

„Immer wieder dachte ich mir: Die Dinger muss man doch sinnvoll weiterverwerten können“, sagt Ingenieur Sasse. Und „sinnvoll“ heißt für den Pionier der Kreislaufwirtschaft eben nicht: im Zementwerk verfeuern oder als Sandersatz beimischen, wie hierzulande meist praktiziert. Oder wie in den USA im Boden vergraben.

Die Idee war für Sasse naheliegend: Kleingeschreddert und mit Holzspänen vermischt, sollten aus den alten Windradflügeln wetterfeste Terrassendielen werden. Denn der heute 65-Jährige hat schon 2005 ein Unternehmen für Holzwerkstoffe in Aschersleben in Sachsen-Anhalt gegründet. Er entwickelte ein patentiertes Verfahren, um Holzabfälle mit Polymeren zu vermischen und die heiße Masse schließlich bei rund 170 Grad durch eine Form zu pressen – ungefähr so wie in der Küche bei einem Spritzbeutel. Heraus kommen Holzelemente, die äußerst widerstandsfähig sind und damit Tropenhölzer ersetzen können: Terrassendielen, Balken, Fassaden- oder Zaunelemente.

Bislang bekam Sasse seine Kunststoffe aus der Industrie, wo sie schon ihr erstes Materialleben hinter sich hatten. Warum also nicht auch die alten Windradflügel verarbeiten? Der gelernte Bauingenieur tüftelte, bis er Terrassendielen mit 30 Prozent Windradanteil schaffte. Er richtete ein Labor ein, wo eine Probe der Flügel vorab analysiert wird. „Wir sind cradle-to-cradle-zertifiziert: Unsere Produkte sind komplett recycelbar, und wir verwenden keinerlei gesundheitsgefährdende Stoffe“, erklärt Sasse. Carbonfasern, die oft in Windrädern verbaut werden, fallen deshalb weg; Glasfasern können dagegen sehr gut in Terrassendielen wie

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