DAS GRÜNE GLAS AUS DEN WÄLDERN

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Im Mittelalter galt das klare venezianische Glas als Maß der Handwerkskunst. In Deutschland entstand eine eigene prägnante Tradition.

TEXT GEBINA DOENECKE

Als Massenware wird Glas heute industriell hergestellt. Doch noch immer fertigen traditionelle Glashütten – hier ein Glasbläser in Waldsassen im Bayerischen Wald – hochwertige Stücke handwerklich an. Die manuelle Glasfertigung in sechs europäischen Ländern, darunter Deutschland, wurde 2023 von der UNESCO ins Immaterielle Kulturerbe der Menschheit aufgenommen.

IM BAYERISCHEN WALD durchzieht ein stark zerklüfteter Gesteinszug aus Quarz das dunkle Grün des Waldes. Fast schnurgerade verläuft der sogenannte Pfahl auf einer Gesamtlänge von 150 Kilometern durch die Landschaft. Mit seinen harten, rauen Spitzen gleicht er vielerorts dem gezackten Rücken eines Drachens. Der Pfahl entstand vor etwa 275 Millionen Jahren und präparierte sich durch Erosion aus umliegendem, weicherem Gestein heraus. In seiner Umgebung liegt eine Reihe von Orten mit langer Glastradition: Zwiesel, Grafenau, Frauenau, Freyung, Regen, Spiegelau, Arrach … Sowohl der Wanderweg „Gläserner Steig“ als auch die 250 Kilometer lange „Glasstraße“ kreuzen den Pfahl, der vor allem bei Viechtach als geologisches Naturdenkmal hervorsticht.

Eine auffallende Quarzader, eine Glastradition, die vor etwa 700 Jahren begann, als der heutige Bayerische Wald ein riesiger, kaum besiedelter und aus damaliger Sicht vermutlich Furcht einflößender Urwald war, aus dem das „Waldglas“ hervorging – das passt gut zusammen. Doch der „Pfahlquarz“ selbst eignet sich wegen Verunreinigungen durch andere Gesteinsarten kaum für die Glasmacherei. Dagegen lieferten bis heute reichlich vorhandener Quarzsand aus Flüssen oder Findlinge, in der Neuzeit vor allem der Sand aus dem Bruch nördlich von Rabenstein bei Zwiesel, den wichtigsten Rohstoff für die Glasmacherei. Dem Flusssand verdankt das grüne Waldglas tatsächlich seine Farbe, denn er enthält Metallverbindungen: Je nachdem, wie viel Eisenoxid vorhanden ist, changiert die Farbe ins Blaugraugrüne.

Den anderen wichtigen Rohstoff, Pottasche, die den Schmelzpunkt des Glases senkt, gewinnt man durch das Auswaschen und Eindampfen („Auslaugen“) von Pflanzenasche in Töpfen, sogenannten Pötten; meist stammte diese Pflanzenasche von verbrannten Buchen, Eichen oder Fichten. Bäume als Rohmaterial für Pottasche und Heizstoff für die Brennöfen waren im Überfluss vorhanden. Doch wie kamen die Glasmacher überhaupt in

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