MEINE SCHATZINSEL

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AUF EINER UNBEWOHNTEN INSEL VOR DER NIEDERLÄNDISCHEN KÜSTE ENTDECKT EIN FOTOGRAF DEN ZAUBER DER EINSAMKEIT.

TEXT UND FOTOS JASPER DOEST

Vorige Doppelseite: Die Aufnahme von Dünenformationen entstand an einem typischen Herbsttag, an dem sich Regenschauer mit tief stehender Sonne abwechselten. Als ich genau hinsah, stellte ich fest, dass keine zwei Minuten gleich aussahen.

Die niederländische Insel Rottumeroog ist unbewohnt; eine Wildnis im Meer und streng geschützt. In den Jahren 2012 und 2013 bin ich im Rahmen eines Auftrags mehrmals dorthin gereist. 50 Tage und Nächte verbrachte ich dort – eine seltene Gelegenheit, da Besucher nicht zugelassen sind. Meistens war ich allein. Meine Aufgabe war es, Fotos zu machen. Nach etwa zwei Dritteln der Zeit erhielt ich eine Lektion. Sie erreichte mich aus dem Meer in Form einer Flaschenpost.

Ich bin nicht weit von der holländischen Küste aufgewachsen, und die flache, offene Landschaft von Rottumeroog ist mir vertraut. Die Insel besteht aus Sand und treibt mit der Strömung langsam nach Südosten. Um die Veränderungen der Landschaft zu erfahren, machte ich jeden Tag einen Spaziergang.

Einer meiner Lieblingsplätze war am Ufer, wo einst ein altes Gebäude gestanden hatte. Alles, was davon geblieben war, waren ein paar Ziegelsteine, zwischen denen sich Muscheln und Treibgut sammelten. Eines Tages entdeckte ich in den Trümmern eine Flasche, die anders war als alle anderen: Ein Deckel war darauf geschraubt. Ich öffnete ihn und fand einen handgeschriebenen Zettel. Auf Englisch stand darauf: „Ich heiße Meike und bin 11 Jahre alt. Ich habe gute Freunde, und du?“

Meike hatte als Absenderadresse ihre Schule in den Niederlanden angegeben. In der Antwort, die ich ihr schrieb, versuchte ich zu erklären, wie demütig es einen macht, wenn man in einem dicht besiedelten Teil Nordeuropas isoliert ist: Auf Rottumeroog sieht man nur Erde, Wasser und Sand, während einem der Wind um die Ohren pfeift. Meike erhielt meinen Brief. Heute, Jahre später, bin ich noch immer in Kontakt mit ihrer Familie. Die Menschen neigen dazu, Einsamkeit als etwas Negatives anzusehen. Aber fü

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