WO EIS AUF FEUER TRIFFT

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FORSCHER WOLLEN EINEN BISHER UNBEKANNTEN LAVASEE IM KRATER EINES INSELVULKANS ERGRÜNDEN. IN DEN EXTREMEN WEITEN DES SÜDPOLARMEERS TREFFEN SIE AUF ERBARMUNGSLOSE KÄLTE UND BRODELNDE HITZE.

TEXT FREDDIE WILKINSON FOTOS RENAN OZTURK

Der Mount Michael überragt die nebelverhangene Vulkaninsel Saunders Island. Sie befindet sich in einer der aktivsten Vulkanregionen der Erde. Aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage besuchen Forscher die sichelförmige Insel allerdings nur selten.
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AUF EINEM EISVERKRUSTETEN BERGRÜCKEN, etwa 900 Meter über der gewaltigen Dünung des Südatlantiks, holt Emma Nicholson unter ihrem Atemgerät noch einmal tief Luft und überprüft ihren Klettergurt. Dann tritt sie in den klaffenden Schlund eines aktiven Vulkans.

Es ist kurz nach 16 Uhr, und wir befinden uns auf dem windgepeitschten Gipfelrand des Mount Michael, der sich über Saunders Island erhebt. Das Eiland gehört zum unbewohnten Archipel der Südlichen Sandwichinseln im subantarktischen Atlantik und ist einer der isoliertesten Orte der Erde – rund 800 Kilometer von der nächsten ständigen Siedlung auf Südgeorgien und mehr als 1600 Kilometer von den nächsten Schiffsrouten entfernt.

Nach jahrelanger Planung und einer strapaziösen, 2250 Kilometer langen Fahrt durch stürmische See mit vielen Eisbergen steht die 33-jährige Vulkanologin endlich kurz davor, die erste wissenschaftliche Erkundung des Kraters von Mount Michael zu leiten.

Doch der Mount Michael ist kein Vulkan, der seine Geheimnisse leicht preisgibt.

Auf den ersten Blick wirkt der innere Teil des Kraterrands harmlos, zumal er in einen sanften Schneehang übergeht. Emma und ihr Forschungspartner João Lages seilen sich vorsichtig ab. Beiden ist bewusst, dass dieses scheinbar ungefährliche Terrain in einer nicht stabilen Eisklippe enden könnte, die über den inneren Rand des Vulkans hinausragt.

Während sie sich langsam abwärts bewegen, bessern sich die Bedingungen: Der Wind lässt nach, die Wolkendecke reißt auf. Hinter ihrem Gesichtsschutz erkennt Emma ein Rund nahezu senkrecht abfallender Wände aus aschebedecktem Fels und Eis.

Computer und Wärmebildkamera fest im Griff, steigen João und Emma tiefer in den gähnenden Schlund. Vor ihnen fällt der Hang abrupt ab, geht über in eine düstere Leere. Die Entfernung zum Kraterboden ist nicht erkennbar. Emma begreift, dass sie sich am Rand eines Erdschlots befinden – einem Ort, der die Narben einer der gewaltigsten Machtdemonstrationen

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