DIE ÜBERLEBENDEN

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Eine Fotografin ehrt die hibakusha: Menschen, deren Leben die Atombombe für immer verändert hat.

Minoru Moriuchi (80*) NAGASAKI4,8 KILOMETER VOM HYPOZENTRUM DER ATOMBOMBENEXPLOSION ENTFERNT „Am Morgen des 9. August 1945 saß ich auf einem riesigen Kaki-Baum in unserem Garten und fing Zikaden“, erzählt Moriuchi. „Plötzlich explodierte die Sonne.“
RECHTE SEITE Kumiko Arakawa (92) NAGASAKI • 2,9 KILOMETER Arakawa verlor bei dem Bombenangriff ihre Eltern und vier Geschwister. „Mit 20 Jahren war ich unvermittelt für die Versorgung der Familie zuständig“, sagte sie. Sie starb 2019.*Die Altersangaben beziehen sich auf das Jahr 2017, in dem die Porträts entstanden.
FOTOS HARUKA SAKAGUCHI DAS LEBEN AUS UNTERSCHIEDLICHEN PERSPEKTIVEN

ALS DIE USA IM AUGUST 1945 ZWEI ATOMBOMBEN ÜBER JAPAN ABWARFEN, WURDEN MENSCHEN VON DER GEWALTIGEN DRUCKWELLE FORTGERISSEN, IN BRAND GESETZT, VERDAMPFT, PULVERISIERT.

Trümmer und Asche gingen als radioaktiver Niederschlag, als „schwarzer Regen“, nieder. Die extreme Hitze entfachte Brände, vor denen die Menschen in Flüsse flohen, wo viele ertranken. Bis zum Jahresende kamen in den bombardierten Städten Hiroshima und Nagasaki schätzungsweise 200 000 Menschen ums Leben. Viele derer, die zunächst überlebt hatten, starben später an der Strahlenkrankheit, die zuweilen auch ihre Kinder befiel. In Japan werden die „Überlebenden der Atombomben“ hibakusha genannt. Angesichts der Langzeitfolgen wäre der Begriff „Opfer“ treffender.

Beim Angriff auf Hiroshima war meine Mutter sechs Jahre alt und zu Hause, etwa einen Kilometer vom Hypozentrum entfernt. Zumindest dachte ich das. Sie hat mir nie davon erzählt, und ich habe sie nie danach gefragt. Aber ihr lebenslanges Leiden bekam ich mit – von der das Innenohr betreffenden Menière-Krankheit in ihren 30ern über Blutarmut in den 40ern bis hin zu diversen Krebserkrankungen in den 50ern. Sie starb mit 62 Jahren. Meine Tante erzählte mir später, meine Mutter war womöglich noch näher am Hypozentrum, in einer Grundschule, an der Hunderte Kinder umkamen.

Mein Großvater fiel der akuten Strahlenkrankheit zum Opfer, meine Oma dem Lungenkrebs. Meine Cousine entwickelte eine Autoimmunerkrankung, an der sie schließlich in ihren 50ern aus dem Leben schied. Ich war dankbar, als ich 50 Jahre alt wurde. Ich hätte nie gedacht, so lange zu leben.

Mit dem Wissen um die Schrecken der Atombombe setzen sich viele hibakusha für Frieden ein. Ihre Vision wurde am 22. Januar 2021 teilweise wahr, als der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft trat. Er wurde jedoch weder von den USA noch von den anderen Atommächten oder von Japan rat


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