UNGEWÖHNLICHE FLÜCHTLINGE

6 min lesen

Wildtiere, die Kriege, Verwundungen und Schmuggel überlebten, finden in einem Tierschutzzentrum in Jordanien Zuflucht.

TEXT UND FOTOS MUHAMMED MUHEISEN

Scooter (Spornschildkröte)
Im New Hope Centre im jordanischen Amman wird Scooter von Tierpfleger Khalifa Allozi mit Salatblättern gefüttert. Die 2016 aus einem Zoo in Gaza gerettete Spornschildkröte war als Folge einer Erkrankung des Bewegungsapparates gelähmt. Nach acht Monaten auf der Reha-Station kann Scooter seine Extremitäten nun wieder bewegen und rollt auf einem Skateboard umher.

PABLITO WAR DER ERSTE LÖWE, den ich je aus der Nähe gesehen hatte. Das etwa vier Monate alte Löwenjunge lief in seinem Gehege im New Hope Centre, einer Schutzstation für Wildtiere, auf mich zu. Unvermittelt hielt er inne und fixierte mich. Sein Blick wirkte verletzlich, als wollte er mir in einer Sprache ohne Worte, die wir beide verstanden, etwas mitteilen. Plötzlich fühlte ich mich verpflichtet, seine Geschichte zu erzählen.

Seit 2001 habe ich mit meiner Kamera Geschichten über Hoffnung, Resilienz und das Überleben erzählt. Unzählige Male habe ich Regionen besucht, die von Konflikten erschüttert wurden, ebenso Orte, an denen Menschen, die einem Desaster entkommen waren, sich mühsam ein neues Leben aufbauten.

Irgendwann erfuhr ich vom New Hope Centre in Jordaniens Hauptstadt Amman. Es bot anderen wehrlosen Geschöpfen eine zweite Chance: traumatisierten und verwahrlosten Tieren, die aus heruntergewirtschafteten Zoos befreit, aus Kriegsgebieten gerettet oder von Wildtierschmugglern beschlagnahmt worden waren. New Hope diente als Quarantäne- und Reha-Station für diese Tiere, die später in das rund 50 Kilometer entfernte Al Ma’wa for Nature and Wildlife umgesiedelt werden sollten, ein 111 Hektar großes Tierschutzzentrum in den Bergen von Jerash im Nordwesten Jordaniens. In Al Ma’wa lebte eine gelähmte Spornschildkröte, die 2016 aus dem oft als „schlimmster Zoo der Welt“ bezeichneten Zoo in Gaza befreit worden war. Auch Löwen und Kragenbären aus Magic World, einem Zoo und Freizeitpark am Rand von Aleppo in Syrien, hatten in Al Ma’wa (Deutsch: „die Zuflucht“) ein neues Zuhause gefunden.

IM JAHR 2018 begann ich, die Einrichtung regelmäßig zu besuchen. Zuvor hatte mein Fokus auf Menschen gelegen, die inmitten von Chaos gefangen waren, auf Zerstörung und menschlichem Leid. Jetzt stand ich den zurückgelassenen Tieren gegenüber. Sie waren Opfer von Konflikten, die nicht das Geringste mit ihnen zu tun hatten. Hätte man sie nicht gerettet, wären sie vermutlich von Bomben getötet worden, ins Kr

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel