DAS ZWEITE LEBEN DES BEUTELWOLFS

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FAST EIN JAHRHUNDERT NACH SEINER AUSROTTUNG SOLL DAS IKONISCHE TIER NUN GENTECHNISCH ZURÜCKGEZÜCHTET WERDEN.

TEXT KENNEDY WARNE

TASMANISCHE TIGER LEBEN – wenn auch nicht buchstäblich. Seit fast einem Jahrhundert wurde das berühmte australische Beuteltier nicht mehr gesichtet, aber es existiert in der Erinnerung und in der kollektiven Trauer über sein Aussterben – und in der Vorstellung einer Handvoll Wissenschaftler und Unternehmer, die die Art tatsächlich wieder zum Leben erwecken und anschließend auswildern möchten.

Der Tasmanische Tiger war kein Tiger. Er lebte einst auch nicht nur auf Tasmanien. Der holländische Entdecker und Seefahrer Abel Tasman setzte die Bezeichnung in die Welt, nachdem er 1642 an der Ostküste der Insel anlegte, die später nach ihm benannt wurde. Seine Matrosen entdeckten Fußabdrücke von Kreaturen mit „Krallen wie ein Tiger“.

Die Europäer gaben dem Tier verschiedene Namen – Zebra-Opossum, Beuteltierwolf, Tasmanischer Dingo –, aus Vorurteil wie auch aus Unwissenheit. Man war der Meinung, dass Säugetiere der nördlichen Hemisphäre den australischen Beuteltieren überlegen seien. Frühe Beobachter betrachteten sie als „hilflose, deformierte und monströse Werke der Natur“. Der Koala wurde als „ungehobelt […] unbeholfen und schwerfällig“ verspottet. Der Beutelwolf, das größte räuberisch lebende Beuteltier der Welt, das bis in die Neuzeit überlebt hatte, wurde als primitiver Aasfresser, „brutal“ und „dumm“, abgetan.

Es war nur ein kurzer Schritt von der falschen Benennung und Verunglimpfung der einheimischen Tierwelt bis hin zum irrwitzigen Versuch, sie durch mitgebrachte Arten zu ersetzen. Der koloniale Eifer führte zu einem ökologischen Umbruch, von dem sich Australien bis heute nicht erholt hat. Das Aussterben des Beutelwolfs ist ein Symbol dafür.

Einst existierten mindestens fünf Arten. Die letzte, die überlebte, war der sogenannte moderne Beutelwolf, der einmal den gesamten australischen Kontinent sowie die Insel Neuguinea bewohnt hatte. Vor etwa 3000 Jahren verschwand diese Art vom australischen Festland. Niemand weiß genau, warum, aber ein verändertes Klima und der Wettbewerb mit dem kurz zuvor vom Menschen eingeführten Dingo sind die wahrscheinlichen Ursachen.

Übrig blieb nur die tasmanische Population, die auf der Insel zurückblieb, seit der Meeresspiegelanstieg die Landbrücke zum Festland vor etwa 10 000 Jahren abgeschnitten hatte. Was ein Zufluchtsort für die Tiere hätte sein können, wurde stattdessen zur Endstation. Obwohl es kaum Beweise dafür gibt, dass Beutelwölfe erhebliche Bestandsver

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